Aus dem Kurzfilm The Tell-Tale Heart (Das verräterische Herz), der 2005 auf der Oscar-Shortlist geführt wurde, hat Regisseur Raul Garcia (The Missing Lynx, The Lady and the Reaper) die Idee eines Episodenfilms entwickelt. Fünf der bekanntesten Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe hat er über die letzten zehn Jahre in ganz unterschiedlicher stilistischer Art und Weise umgesetzt. Eines ist ihnen gemeinsam: die schaurig schönen Gruselgeschichten des Horror-Meisters des 19. Jahrhunderts.
Extraordinary Tales: zu sehen am Fantoche 2015:
02.09., 20:45 Kino Sterk Tickets
03.09., 22:45 Kino Trafo Tickets
04.09., 16:15 Kino Trafo Tickets
In Der Untergang des Hauses Usher (The Fall of the House of Usher) ist Christopher Lee (The Lord of the Rings, Dracula) in einer seiner letzten Sprechrollen zu hören. Mit seiner sonoren Stimme erzählt er bedrohlich und eindringlich von einem Besuch beim geisteskranken Roderick Usher, ein Jugendfreund, dessen Einladung er nach einem wirren Brief besorgt gefolgt ist. Visuell angelehnt an die Bilder von Edvard Munch, sowie an den filmischen deutschen Expressionismus, glückt der Einstieg in die Kurzfilmsammlung hervorragend. Auch dank der stimmungsvollen, düsteren Musik von Sergio de la Puente, der bei allen Geschichten einen Grossteil zur Atmosphäre beiträgt.
Auch in der zweiten Geschichte, Das verräterische Herz (The Tell-Tale Heart), ist mit Bela Lugosi (Dracula) eine Kultfigur des Films zu hören. Eine Aufnahme, wahrscheinlich aus dem Jahr 1947, unterlegt die schwarzweiss gehaltene Adaption des gleichnamigen Comics (“El Corazon Delator”, 1975) des Zeichners Alberto Breccia (Uruguay). Sie erzählt vom tödlichen Hass, den der Protagonist überkommt, wenn er das blassblaue Auge eines alten Mannes betrachtet.
Spricht man vom frühen Horrorfilm und von filmischen Adaptionen von Poes Geschichten, so darf auch der Name Vincent Price (House of Usher, Pit and the Pendulum, Tales of Terror, The Raven) nicht fehlen. Auch wenn man Price nicht in einer Sprechrolle hört, so ist der Protagonist in Die Tatsachen im Fall Waldemar (The Facts in the Case of Mr. Valdemar) optisch deutlich an den US-amerikanischen Schauspieler angelehnt. Im Stile der klassischen Comics der 1950er Jahre gehalten, erzält Julian Sands vom Versuch, einen Sterbenden mittels Hypnose im schwebenden Zustand zwischen Tod und Leben zu halten.
In sepiafarbenen, verblichenen Bildern erzählt Guillermo del Toro (Pans Labyrinth, Hellboy) Poes Klassiker Die Grube und das Pendel (The Pit and the Pendulum) und von den dunklen Stunden eines Gefangenen während der spanischen Inquisition, der von seinen Peinigern in einem düsteren Spiel auf Leben und Tod gequält wird. Die klaustrophobische Atmosphäre wird durch den fiktiven Gefängniskomplex, der an die Bilder des italienischen Künstlers Giovanni Battista Piranesi angelehnt ist, zusätzlich unterstrichen.
Roger Corman, der sich mit erfolgreichen B-Movies und Exploitation-Filmen v.a. in den 1950er- und 1960er-Jahren einen Namen gemacht hat, u.a. auch mit Verfilmungen der Geschichten von Edgar Allan Poe (Pit and the Pendulum, The Raven) steuert in Die Maske des Roten Todes (The Masque of the Red Death) einen einzelnen Satz bei. Prinz Prospero hat eine elitäre Auswahl seiner Wahl zum Maskenball geladen, während vor den Toren des Palastes die tödliche Pest ihr Unwesen treibt. Als ein ungebetener Gast die Festlichkeiten stört, ist klar, vor dem Tod gibt es kein Entrinnen.
Raul Garcia gelingt mit der Kurzfilmsammlung Extraordinary Tales gruselig-schöne Filmunterhaltung. Er zeigt sich in der Umsetzung ausserordentlich abwechslungsreich und liefert damit einen beeindruckenden Querschnitt durch die Möglichkeiten der 3D-Animation fernab der Formelhaftigkeit Hollywoods.
- Produced by: Stephan Roelants
- Production companies: Melusine Productions, Melon Digital, The Big Farm, R&R Communications inc.
- Director of Photography: Raul Garcia, Stephan Roelants, Cédric Gervais
- Original language: English
- Running time: 73′ minutes
- Screenratio: Digital HD 1920×1080 16/9 1.78:1 24ips
- Sound: Dolby 5.1