Mit rund 14’800 verkauften Kino-Tickets und mehr als 6’300 Eintritten für weitere Veranstaltungen am Fantoche 2014 ging die 12. Ausgabe der grössten Trickfilmschau der Schweiz über die Bühne. 17 Langfilme und fast 400 Kurzfilme aus 43 Ländern wurden dem interessierten Publikum aus dem In- und Ausland gezeigt. Gestern hat die Jury die Preisträger bekanntgegeben:
INTERNATIONALER WETTBEWERB
JURYMITGLIEDER: Stu Campell aka Sutu (AU), Anais Emery (CH), Mark Shapiro (US), Emma de Swaef (BE), Atsushi Wada (JP).
BEST FILM
The Bigger Picture, Daisy Jacobs, GB 2014, 7’
Bis 40 habe er nur an Sex gedacht, sagt der ältere von zwei Brüdern, jetzt denke er nur noch an den Tod. Die Mutter der beiden ungleichen Männer ist pflegebedürftig, ihre Hinfälligkeit sprengt den häuslichen Rahmen und macht den Blick frei für eine umfassendere Sicht der Dinge. Die anrührende Geschichte ist mit lebensgrossen Figuren und Dekors erzählt.
Jury-Laudatio: «Von unserer Auswahl für die Auszeichnung „Bester Film” waren wir alle sehr bewegt. In diesem herrlich innovativen Kurzfilm werden verschiedene Techniken auf originelle Weise eingesetzt, um eine kluge, einfühlsame und optimistische Geschichte über dysfunktionale Familien und Beziehungen zu erzählen. Mithilfe geistreicher Dialoge werden Drama, Komödie und Realität auf kluge, ausgewogene Art miteinander verbunden.»
HIGH RISK
Through the Hawthorn, Anna Benner, Pia Borg, Gemma Burditt, GB 2014, 9’
Drei Personen, drei Perspektiven, ein Problem: Sam hört Stimmen, will aber seine Medikamente nicht mehr nehmen. Die Mutter macht sich Sorgen und verständigt den Psychiater, nachdem sie ihren Sohn halb erfroren aus einem See gerettet hat. Der britische Kurzfilm über eine Gruppentherapie zeigt, wie subjektiv und widersprüchlich Wirklichkeit ist.
Jury-Laudatio: «Ein sehr verblüffender Film, der das sensible Thema psychischer Erkrankungen auf innovative Weise untersucht. Es werden ausgeklügelte Erzählperspektiven und verschiedene Animationstechniken eingesetzt, die einen Zusammenbruch der Realität auslösen.
NEW TALENT
The Wound (Obida), Anna Budanova RU 2013, 9’
Ungelenk und massig liegt das junge Mädchen unter dem Bett und verleiht ihrem Schmerz Gestalt: Sie kritzelt ein haariges Wesen in den Staub, das zu Leben erwacht und die junge Frau über Zurückweisung und Liebeskummer hinwegtröstet. Der russische Animationsfilm setzt die trügerische Freundschaft in alptraumhaft schöne Bilder um.
Jury-Laudatio: «Dieser Film ist qualitativ sehr hochwertig und wunderschön gezeichnet. Der Inhalt wird auf sehr einfühlsame Weise vermittelt.»
BEST SOUND
Snow Hut (Kamakura), Yoriko Mizushiri, JP 2013, 5’22“
Weiss in Weiss steht die Schneehütte auf dem Reisfeld, doch das Frühlingserwachen ist nicht fern: Amorphe und menschliche Formen schwellen und durchdringen sich, eine Nadel piekst und das Grün einer Pflanze spriesst. «Kamakura» ruft mit klaren Linien widersprüchliche Gefühle hervor – ein Prickeln wie nach einem Nadelstich. Oder vor einem Kuss.
Jury-Laudatio: «Snow Hut erkundet eine sinnliche Welt auf hypnotische Weise. Die Verbindung von Sound, Bildern und Bewegung zieht Sie in ihren Bann und zwingt Sie, Zeit und Raum zu ihren eigenen Bedingungen wahrzunehmen.»
BEST VISUAL
Wonder, Mirai Mizue, JP/FR 2014, 8’8“
Während eines Jahres hat Mirai Mizue an diesem mittels Crowdfunding finanzierten Film gearbeitet und jeden Tag 24 Bilder gezeichnet. Entstanden ist so ein farbiger Reigen von Formen und Mustern, die sich stetig transformieren und ineinander übergehen.
Jury-Laudatio: «Diese Auszeichnung geht an einen Film, der die lustige Seite der Animation mit viel Freude an der Sache erkundet und uns eine Reise zurück zu unserer kindlichen Naivität beschert.»
SPECIAL MENTION
Timber, Nils Hedinger, CH 2014, 5’35“
Es ist Nacht, es ist kalt, eine Gruppe von Holzscheitern friert. Als ihnen klar wird, dass nur sie selbst als Brennmaterial in Frage kommen, wird die Situation brenzlig. Das Schweizer Erstlingswerk nutzt die Konventionen des Katastrophenfilms, um die Geschichte eines Überlebenskampfes mit einem zwinkernden Holzauge zu erzählen.
Jury-Laudatio: «Timber erzählt auf schlichte, symbolische Weise von Gesellschaft und Natur des Menschen.»
PUBLIKUMSPREIS
My Own Personal Moose, Leonid Shmelkov, RU 2013, 16’30“
«Lass dich nicht ablenken», bekommt Mischa seit Kindstagen zu hören. Dabei hat er nur ein Ziel: Einmal in seinem Leben möchte der ausgewachsene Tagträumer einen echten Elch sehen. Auf melancholische und witzige Weise zugleich schildert Leonid Shmelkov den Reichtum und die Bedürftigkeit einer fantasiebegabten Seele.»
SCHWEIZER WETTBEWERB
JURY: Laurent Guido (CH), Esben Toft Jacobsen (DK), Anja Šošic (PL, HR, D).
BEST SWISS
Oh Wal, Joana Locher, CH 2014, 5’50“
Dieses Märchen erzählt von der fischejagenden Katze, die sich den grössten Brocken im Teich, den Wal, aussucht. Als sie ihn nach langem Planen endlich erlegt und ihn verspeist, sind die Fische erbost über das Ableben des Wals, ihrem Gott. Sie schmieden einen Plan zur Rache.
Jury-Laudatio: «Wir haben uns entschieden, den Haupt-Award einem verführerischen, extrem amüsanten und gewagten Film zu verleihen. Er erneuert das Genre des Märchens, indem er ein verrücktes, aber vollkommen plausibles mythisches Universum erschafft. Wir haben uns in die bezaubernden Charaktere, die in einer psychedelischen Welt archaische Rituale vollziehen, verliebt. Der ungebändigte visuelle Stil passt perfekt zur originellen, eingängigen und wunderschön komponierten Musik. Wir gratulieren zu dieser überschäumenden Kreativität und möchten mehr von diesem Studenten sehen!»
HIGH SWISS RISK
Cyclopèdes, Mathieu Epiney, CH 2014, 4’38“
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war das Filmemachen und das Velofahren noch eine andere Art von Abenteuer. «Cyclopèdes» bezieht sich mit seinen Titeln und der Player-Piano-Musik auf die Ästhetik des frühen Films, und schildert, wie damals ein Pässe-Rennen hätte aussehen können: Voller witziger aber auch gefährlicher Zwischenfälle.
Jury-Laudatio: «Wir freuen uns, einen Film auszuzeichnen, der in eine hilflose Lage geratene Menschen zeigt, und zwar mit einem fantastischen Sinn für Absurdität und perfekt getimten komischen Momenten, die in berauschendem Tempo aneinandergereiht werden. Uns gefallen der herausragende Sound mit Stimmen, die in groteskes Grunzen verwandelt werden, und der wunderbare, mutige Einsatz des Rotoskopie-Verfahrens. Mit ihm werden spontane Gesten und Bewegungen eingefangen, was dem Slapstick-Humor eine sehr menschliche Note verleiht. Noch nie hat Rotoskopie einen Film so sehr bereichert und war sie so witzig!»
SWISS SPECIAL MENTION
Aubade, Mauro Carraro, CH 2014, 5’14“
Die aufgehende Sonne, vorbeiziehende Möwen, die ersten Schwimmer, zarte Farb-Reflexionen auf der ruhigen Wasseroberfläche sind die Kulisse eines Konzerts des Cellisten Mich Gerber im Pâquis- Seebad in Genf. Mauro Carraro nutzt die Animation, um diese Ingredienzien zu einem poetischen und zauberhaften Sehvergnügen zu verweben.
Jury-Laudatio: «Wir möchten einen Film erwähnen, der uns mit verblüffenden Bildern und perfekter Synchronisation mit Musik beeindruckt hat. Während sich ein anmutiger Groove entfaltet, werden wir in eine nachdenkliche Stimmung versetzt. Es wird die besondere Atmosphäre eines bestimmten Moments des Tages an einem tatsächlich existierenden, einzigartigen Ort in der Schweiz eingefangen.»
PUBLIKUMSPREIS
Aubade, Mauro Carraro, CH 2014, 5’14“
«Die aufgehende Sonne, vorbeiziehende Möwen, die ersten Schwimmer, zarte Farb-Reflexionen auf der ruhigen Wasseroberfläche sind die Kulisse eines Konzerts des Cellisten Mich Gerber im Pâquis- Seebad in Genf. Mauro Carraro nutzt die Animation, um diese Ingredienzien zu einem poetischen und zauberhaften Sehvergnügen zu verweben.»
WETTBEWERB BEST KIDS
BEST KIDS
Pik Pik Pik, Dmitry Vysotskiy, RU 2014, 3’35“
Es poltert auf dem Baum, wenn der Specht auf Ameisenjagd geht. Doch wehe, jemand vergreift sich am Baum! Dann formieren sich die ungleichen Tiere zu einem unschlagbaren Team. Eine musikalisch und grafisch präzise Sinfonie über Teamarbeit.
Jurylaudatio: Der Film hat die Kinderjury überzeugt da er in knalligen Farben eine humorvolle Geschichte zeigt, welche sich auf einem dicht bevölkerten Baum abspielt. Auch die lustigen Klänge im Film sowie die Musik haben die sieben Jurymitglieder angesprochen – insbesondere dass Musik und Bewegung der Charaktere perfekt auf einander abgestimmt sind. Die Geschichte handelt von einem Vogel, welcher erst Ameisen auf einem Baum jagt sich aber schliesslich mit ihnen verbündet gegen einen Holzfäller, welcher ihnen den Lebensraum wegnehmen will. Alle Jurymitglieder haben den Vogel ins Herz geschlossen, welcher im Verlauf des Films einen Gesinnungswandel durchläuft. Auch die Metapher des Films – gemeinsam kann man Dinge, welche man nicht hinnehmen will, verhindern – hat den Ausschlag zur Wahl von „Pik Pik Pik“ gegeben.
PUBLIKUMSPREIS
Le vélo de l’éléphant, Olesya Shchukina, FR/BE 2014, 9’
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