Blu war der letzte seiner Art, dachte man, doch mit Jewel hat er ein weibliches Gegenstück gefunden und eine glückliche Familie gegründet, die mittlerweile aus fünf Mitgliedern besteht. Noch immer ist der blaue Ara das domestizierte Haustier, das sich mit Vorliebe in Häusern aufhält. Zum Frühstück gibt es Pfannkuchen und ohne Bauchtasche mit GPS und Schweizer Armeemesser traut sich Blu erst gar nicht an die frische Luft. Auch seine Kinder sind verwöhnte Stadtvögel geworden, was der Mutter Jewel aber überhaupt nicht passt. Kurzerhand wird beschlossen, von Rio de Janeiro in den Amazonas zu fliegen, um den Kindern das wahre Leben zu zeigen und vielleicht doch noch Artgenossen zu finden. Was die blauen Aras erwartet, ist ein grosses Abenteuer, besonders für Blu, der nicht nur auf seinen Erzfeind Nigel trifft, sondern auch auf seinen Schwiegervater…
Rio heisst Sonne, Strand und Samba. Pure Lebenslust. Singen und Tanzen lautet das Motto, hier gibt es nur schöne Dinge und keine Armut. So vermittelt es zumindest der Animationsfilm aus den Blue Sky Studios (Rio, Ice Age). Aber hier geht es ja um die Tiere. Im ersten Teil hat Regisseur Carlos Saldanha auf die Missstände im Tierhandel aufmerksam gemacht, im zweiten Teil verschiebt er die Botschaft in den Amazonas und ruft die Abholzung des Regenwaldes in Erinnerung. Ein weiterhin unglaublich wichtiger Fingerzeig, der gerade im Vorfeld zur Fussball-WM, wieder einmal ins Bewusstsein geholt werden muss. Nur, Saldanha kann sich in Rio 2 – Dschungelfieber nicht so richtig entscheiden, welche Geschichte er nun wirklich erzählen will. Zu sanft geht er mit dem wichtigen Thema um, vergisst die Auswirkungen und das aktuelle Ausmass der Zerstörung von Menschenhand zu zeigen. Die Empörung bleibt aus und das Wachrütteln ist vielmehr ein kleiner Stups. Dabei macht er im Aufbau ja alles richtig: Da wird eine seltene Spezies mitten im Urwald entdeckt, die sich unmittelbar von der Zerstörung bedroht sieht, analog zu James Camerons Avatar (2009), der letzte Blockbuster, der sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hatte – und Blau sind die Vögel ja auch noch. Aber anders als in Avatar und anders als in dessen Inspirationsquelle, dem Zeichentrickfilm Fern Gully (1992), sind die angerückten Maschinen niemals so bedrohlich inszeniert, als dass man um den Regenwald wirklich bangen müsste. Im Gegenteil, ein Vogelschwarm reicht aus, um die Menschen zu stoppen.
Identifikationsfiguren in diesem Konflikt wären ja eigentlich Blu, Jewel und die Kinder, aber die sind eben gar keine echten Waldbewohner, leben vielmehr in der Stadt, sind sich Mensch, Technik und Lärm gewohnt. Ob ihre Existenz mit der Abholzung bedroht wird, ist denn auch nicht wirklich ein Thema. Für die Protagonisten verschiebt sich der Schwerpunkt auf die inneren Konflikte. Familie Blu sieht sich unvermittelt mit einer ganz neuen Situation konfrontiert. Land statt Stadt. Urwald statt Haus. Aber auch hier fällt die Umstellung, gerade für die Kinder, viel zu einfach aus. Sie vermissen weder Elektrizität noch Fernsehen, ja fühlen sich vom ersten Augenblick an so richtig wohl unter ihren Artgenossen. Nur Blu braucht etwas länger, um sich zurecht zu finden. Kein Wunder, muss er doch noch an ganz anderen Fronten kämpfen. Seine Herzensdame Jewel wird unerwartet von der Jugendliebe Roberto (Bruno Mars) umgarnt, sein Schwiegervater soll bei Laune gehalten werden und der Bösewicht Nigel sinnt nach Rache. Leider auch in diesem Fall: Das Konfliktgefälle ist zu gering, Roberto zu androgyn, der Schwiegervater zu freundlich und Nigel zu tollpatschig. Wobei gerade der gefallene Kakadu das Highlight des Films darstellt. Im Rüschenkragen zitiert er Shakespeare und kriegt mit einem pinken Fröschchen eine süsse Liebesgeschichte spendiert, frei nach Romeo und Julia.
Insgesamt ist Rio 2 – Dschungelfieber ein durchaus unterhaltsames Abenteuer geworden, aber auch gänzlich ohne Ecken und Kanten. Zu viele Themen werden in den Zutatentopf gerührt und keine schmeckt man schlussendlich heraus. Ach ja, eine “Der Dschungel sucht das Supertalent”-Version wurde auch noch hinzugefügt. Mehr geht fast nicht. Angereichert mit zahlreichen Popsongs und ausgeklügelten Choreografien, fühlt man sich fast zu oft an eine Videoclip-Parade erinnert. Immerhin, die Animationen sind grossartig und die Nebendarsteller können überzeugen.
Rio 2 – Dschungelfieber Land: USA Studio: Blue Sky Studios Regie: Carlos Saldanha Drehbuch: Don Rhymer, Carlos Saldanha Synchronsprecher: (E): Jesse Eisenberg, Anne Hathaway, Jamie Foxx, Bruno Mars, Jemaine Clement, Jake T. Austin u.a. Produzent: Bruce Anderson, John C. Donkin Musik: John Powell Laufzeit: 101 Minuten DE-Kinostart: 03.04.2014 US-Kinostart: 11.04.2011 Verleih: 20th Century Fox Film Corporation Weitere Infos bei IMDB |