Die Amazon Studios, ein Tochterunternehmen des Onlineversandriesen für eigene Film- und Fernsehproduktionen, entwickelte mit Amazon Storyteller ein kostenloses Onlinetool für Storyboards. Dieses wandelt mehr oder weniger automatisch Drehbücher in eine Storyboardstruktur um, komplett mit Figuren, Hintergründen und Dialogen. Die Ergebnisse können direkt über die Community von Amazon Studios mit anderen geteilt und diskutiert werden. Das Programm befindet sich zur Zeit noch in der Beta-Entwicklung. Mehr über das Programm und was wir darüber denken, findet ihr nach den Bildern.
Roy Price, Geschäftsführer von Amazon Studios über das Programm: “Viele Autoren wollen ihre Geschichten in visueller Form erleben, was aber ein Schritt ist, der schwieriger zu bewältigen ist als es sein sollte. Amazon Storyteller bietet alles was man braucht, um die eigenen Storys zum Leben zu erwecken. Wir wollen erleben, wie großartige Geschichten zu Filmen und Fernsehserien werden. Um das Ziel zu erreichen, werden wir in Zukunft noch viele neue Funktionen zur Verfügung stellen, damit die Leute auch großartige Geschichten entwickeln können.”
Das Programm
Die Arbeit mit Amazon Storyteller beginnt mit dem Scannen des Drehbuchs, das für diesen Zweck zunächst in die Datenbank der Amazon Studios hochgeladen werden muss. Anschließend erkennt das Programm automatisch Szenen, Orte und Figuren anhand der Szenenbeschreibung und “castet” diese mit Hilfe einer Bibliotek aus tausenden von Figuren, Gegenständen und Hintergründen. Der Filmemacher kann alle Zuordnungen auch beliebig ändern oder eigene Grafiken hinzufügen. Hauptfokus von Storyteller liegt darauf, dem Filmemacher zu ermöglichen, sich auf die emotionalen und dynamischen Aspekte des Storytellings zu konzentrieren. Das Setzen von Figurenpositionen und Facial Expressions, die Kameraarbeit, die gesamte Mis-en-scene, ausserdem das Setzen von Dialogen und Beschreibungen.
Sobald das Storyboard erstellt ist, kann es auf Amazon Studios veröffentlicht werden, wo es anderen Usern gezeigt und besprochen werden kann. Ein interessantes Feature liegt darin, dass man fremde Drehbücher, die auf Amazon Studios liegen, selbst storyboarden kann. Was natürlich die Erlaubnis des Autors voraussetzt. Mehr Informationen erhaltet ihr auf www.amazonstudios.com/storyteller. (via)
Segen und Fluch
Ein interessantes Werkzeug, dass Amazon uns da zur Verfügung stellt. Aber ist es auch eine echte Alternative für professionelle Produktionen oder “nur” Spielzeug für Hobbyfilmer und Nachwuchsregisseure? Eigentlich nur für letzteres, aber ehrlich gesagt, sehe ich schon vor mir, wie sich einige Produzenten die Hände reiben. Anstatt Storyboard Artists zu beschäftigen, setzt sich der Produzent/Regisseur einfach selbst paar Abende hin, scannt Drehbücher ein, schiebt etwas per Drag & Drop Bildchen hin und her und fertig ist das “Storyboard”. Wenn der oder diejenige was davon versteht. Glück gehabt. Ansonsten könnte es schmerzhaft für den Zuschauer werden. Wenn Kreativität auf einige wenige Arbeitsschritte und auf wenige Presets reduziert wird, ist eine Verwässerung und Zwangsvereinheitlichung von Filmen beinahe vorprogrammiert. Gerade in Deutschland, wo die Filmlandschaft fast nur noch aus animierten Franchises, Komödien und Sozialdramen besteht, ein heikles Thema. Wie Amazon noch selbst zugibt, gibt es beispielsweise noch kaum Genreelemente im Storyteller. Raumschiffe, Monster, Spukhäuser, historische Props, Settings etc.
Eine andere Sache ist Amazon selbst. Wie oben erwähnt, führen alle Arbeitsschritte von Amazon zu Amazon. Mit einem Onlinetool wie Storyteller scheint Amazon in erster Linie (billige) Talente mit frischen Ideen anziehen zu wollen. Auf ähnliche Weise – nur verzweifelter – versucht zur Zeit auch das ZDF frische Konzepte zu billigen Preisen zu angeln weil ihnen langsam aber sicher die Stammseherschaft weg stirbt (mehr dazu hier). Es kann davon ausgegangen werden, dass Amazon sämtliche hochgeladenen Drehbücher auf irgendeine Weise erfassen wird, nicht umsonst ist das Hochladen in die Amazon Studios Datenbank Bedingung für die Benutzung des kostenlosen Programms. Dito die Storyboards, die dabei entstehen können. Mit einer simplen Keyword Suchabfrage wird das Unternehmen in der Lage sein, die Ideenflut mit der sie überhäuft werden, zu durchforsten. Sollte bei 1000 faulen Eiern eine Perle dabei sein, hat sich der Aufwand schon gelohnt. Nur stellt sich die Frage mit welchen Konditionen Amazon die Nachwuchsfilmemacher ködern wird. Amazon Studios ist in rechtlicher Hinsicht eine verzwickte Sache. Die Rechte eingereichter Pitchings, Drehbücher oder Konzepte unterstehen speziellen Bedingungen. Amazon behält sich auf alles eine 45-Tage Option vor. Innerhalb diesen Zeitraums gibt man dem Konzern die Möglichkeit, das Konzept zu kaufen. Grundsätzlich eine gute Sache, aber könnte schwierig werden, wenn man das Angebot zurückziehen will, Teile davon für andere Projekte nutzen möchte, mit dem Angebot von Amazon nicht zufrieden ist o.ä.
Das ganze Konzept rund um Amazon Studios erachte ich als eine spannende Entwicklung. Aber ähnlich wie mit dem Crowdfunging-Hype, der in Hollywood fr Goldgräberstimmung sorgt und seltsame Blüten schlägt, hat auch diese Art von “Crowdfilmmaking” einen bitteren Nachgeschmack. Wer sich etwas über Amazon Studios informieren möchte, dem empfehle ich einen Blick hier rein zu werfen.