Donnerstag – Neuer Tag, neues Animationsglück. Der Wettbewerb rief erneut zu sich und was den Zuschauer diesmal erwartete erhitzte die Gemüter und spaltete am Ende das Publikum in helle Begeisterung und geschockte Fassungslosigkeit…
Bobby Yeah
Robert Morgan, Großbritannien 2011
Die Reaktionen im Saal auf diesen Film waren unverkennbar. Bestürzung und Faszination wechselten sich ab. Bobby Yeah stößt den Zuschauer von einer grotesk-vulgären Situation in die nächste. Als ob Gaspar Noé mit John Carpenters The Thing ein Kind zeugte und es auf die Menschheit losließ. Aber trotz aller Willkür und Handlungsarmut funktioniert der Film auf einer voyeuristischen sowie metaphorischen Ebene überraschend gut. Die Ruhelosigkeit und das stetige Streben nach “Mehr” steht im Mittelpunkt und wird mit verzerrten Fratzen und doppeldeutigen Charakteren dargestellt. Wir sind ständigen Versuchungen ausgesetzt und obwohl wir insgeheim wissen, dass zwischen Lust, Neugierde und Verderben nur eine dünne Grenze besteht, lassen wir uns oft durch niedere Instinkte leiten. Kein einfacher Film, aber für diejenigen mit gutem Magen und einem nicht zu festgefahrenem Sittenbild eine faszinierende Tour de Force. 8/10
Heldenkanzler
Benjamin Swiczinsky, Deutschland 2011
Der Austrofaschismus als Thema eines amüsanten, animierten Kurzfilms? Warum nicht, von der Filmakademie Baden-Württemberg hat man bekanntlich schon ganz anderes gesehen. Es wird schnell ersichtlich, dass in dieser nicht unbedingt seriösen Geschichtsstunde Wahrheit, Lüge und künstlerische Freiheit nah beieinander liegen. Die Pointen treffen nicht immer ins Schwarze, aber der Film macht auf ein weniger bekanntes Kapitel aufmerksam und regt zum Nachdenken an – oder bringt einem dazu, zumindest Wikipedia zu kontaktieren, was auch als Achtungserfolg verbucht werden kann. 7/10
Dell´Ammazzare il Maiale (About Killing the Pig)
Simone Massi, Italien 2011
Ein Film, der den Boden anbetet auf dem der Schweizer Georges Schwitzgebel wandelt. Das Thema des Films ist simpel aber so ansprechend die visuelle Umsetzung ist, bleibt eine gewisse Leere und der Gedanke, dass dem Film etwas Wichtiges fehlt, im Zuschauer zurück. 6/10
Father
Ivan Bogdanov, Moritz Mayerhofer, Asparuth Petrov, Veljko Popovic, Rositsa Raleva, Dmitry Yagodin, Bulgarien/Kroatien/Deutschland 2012
Wann hast du das letzte Mal mit deinem Vater gesprochen? Wirst du ihn jemals darauf ansprechen, was dich verletzt hat? Zwei einfache Fragen, fünf weit weniger einfache Episoden, die zu einem Film gebündelt wurden. So sehr sie sich stilistisch unterscheiden, so sehr unterscheiden sich auch ihre Antworten auf die Fragen. Was bleibt sind äußerst starke Bilder mit einer symbolischen Kraft, die zumindest im ITFS-Programm einzigartig bleibt und ein Thema, das nur wenige kalt lassen dürfte. 8/10
Offizielle Seite mit Trailer
663114
Isamu Hirabayashi, Japan 2011
Einer jener Filme, die irgendwie unscheinbar vor sich hin plätschern und eigentlich ad acta gelegt werden, kaum sind sie vorbei. Außer eine letzte Szene nach dem Abspann verleiht dem Gesehenen einen völlig neuen Drall. 663114 ist ein Paradebeispiel wie eine Idee einen ganzen Film und die Wirkung auf den Zuschauer von Grund auf verändern kann – wenn die Prämisse so gekonnt und subtil eingearbeitet wird wie hier. 9/10
Keha Mälu (Body Memory)
Ülo Pikkov, Estland 2011
Nukufilm, das Stop-Motion-Studio aus Estland, das am Mittwoch mit einem absonderlichen Stop-Motion-Film auf sich aufmerksam machte, bleibt sich auch in Body Memory treu. Doch die zugrunde liegende Idee und die Umsetzung ist hier wesentlich reifer und beinahe poetisch. Der Körper vergisst nicht und gerade Gräueltaten wie der Holocaust hinterlassen Spuren, die noch Generationen später zu spüren sind. 7/10
Rising Hope
Milen Vitanov, Deutschland 2011
Ein Beitrag von der HFF Potsdam. Ein nettes Filmchen über ein Pferd mit einfachen Träumen, dem der eigene Erfolg zu Kopf steigt und vergisst, wer es wirklich ist. Alles an dem Film ist nett. Nett lineare Animationen, nettes Rendering, nette Message. Nur der Filmtitel und das Charakterdesign ragen aus dem Meer der Nettigkeiten heraus. Der Titel, weil er gnadenlos überambitioniert und schlicht unpassend ist. Das Characterdesign des Pferdes, weil es wirklich sympathisch ist und das gewisse Etwas besitzt. Nur leider macht es den lahmen Gaul weit interessanter als er es eigentlich wäre. 6/10