Böser Computerchip
Sehenswerter serbischer Animationsfilm für Erwachsene mit trockenem Humor, der gekonnt Verschwörungs-, Sci-Fi- und Thriller-Elemente miteinander verbindet. „Technotise“ schwächelt jedoch in der Verbindung der einzelnen Sequenzen und der etwas oberflächlichen Auseinandersetzung mit dem Hauptthema. Visuell gewöhnungsbedürftig, aber äusserst gelungen.
Technotise ist ein ambitionierter serbischer Animationsfilm, der Aleksa Gajic ins internationale Rampenlicht gerückt hat. Unlängst hat Hollywood seine Fühler ausgestreckt und sich die Rechte für eine Realverfilmung gesichert. Für den Zuschauer wird auf jeden Fall schnell klar: Gajic ist nicht nur ein begnadeter Comickünstler, sondern auch ein talentierter Jung-Regisseur, der tolle Bilder entstehen lässt. Wenn seine Verwurzelung im Anime-Genre und in bekannten Sci-Fi-Geschichten auch in jeder Einstellung spürbar ist, Gajic kann sich jederzeit eine gewisse Eigenständigkeit bewahren.
Gajics Film ist als Sequel zu seiner Technotise-Graphic-Novel konzipiert und spielt im Jahr 2074. Zwischen schwebenden Autos und Müllrobotern haben sich die Ängste, Sorgen und Gelüste der Menschen nicht verändert. Bereits sechsmal ist die Protagonistin Edit bei einer wichtigen Prüfung durchgefallen. Die Mutter ist darüber sehr verärgert und Edits notgeiler Freund Bojan spricht offen darüber, seine sexuellen Gelüste an Puppen auszulassen. Edit weiss: Ein erneutes Scheitern wäre fatal. So lässt sie sich einen illegalen Chip implantieren, mit dem sie sich den Lernstoff problemlos merken kann. Dieser wäre ihr wohl nicht zum Verhängnis geworden, hätte sie neben der Schule nicht für eine Firma gearbeitet, die offiziell Sozialforschung betreibt, im Geheimen aber an viel grösseren Projekten arbeitet. Edit hat die Aufgabe gefasst, einem autistischen Mathegenie einige Worte zu entlocken; jener nämlich hat eine hochkomplizierte Formel notiert, die nicht einmal der beste Computer des Instituts berechnen kann. Überraschenderweise scheint die Maschine bei einem Berechnungs-Versuch, kurz bevor sie sich selbst abschaltet, eine Art Bewusstsein zu entwickeln. Als Edit die Formel bei einem Rundgang zu Gesicht bekommt, wird diese auf ihrem implantierten Chip gespeichert – und schon bald beginnt sich ihr Körper zu verändern…
Gajic greift mit der biomechanischen Veränderung und der mysteriösen Organisation Elemente von Katsuhiro Otomos Akira auf und begibt sich sowohl mit der Vermischung von Mensch und Maschine als auch mit der Entwicklung einer digitalen Identität auf die Ebene von Masamune Shirows Ghost in the Shell. Die mechanischen Haustiere erinnern zudem an Blade Runner, während Gajic die Jugend, angelehnt an Back to the Future und an das Videospiel „Trick Style“, auf Hoover-Boards waghalsige Rennen fahren lässt. Gajic trägt viele bekannte Elemente zu einer spannenden Science Fiction-Geschichte zusammen. Allerdings vermag er die einzelnen Sequenzen nicht gänzlich miteinander zu verbinden. So lässt sich die Erzählung von Edits Opa über Slobodan Milosevic zwar als politisches Statement lesen, mag aber nicht so richtig ins Gesamtkonzept passen. Und wenn sich Edits Fokus von ihrem Freundeskreis zunehmend auf ihr Innenleben verschiebt, verdeutlicht dies zwar ihre Isolation, lässt aber auch gelungen eingeführte Personen aus dem Blickfeld verschwinden.
Die Maschine muss das Leben des Menschen nicht immer einfacher machen; sie kann es, wie Edit am eigenen Leib erfährt, wortwörtlich auch erschweren. Dabei ist die ungewollte Symbiose von Mensch und Maschine anfänglich nur dem Zufall geschuldet. Die später ersehnte Verschmelzung basiert hingegen auf dem menschlichen Sexualtrieb; dieser ist es, der Edit schlussendlich zur Fortpflanzung mit ihrem zentralen Nervensystem treibt. Technotise stellt spannende Fragen, allzu gedankenschwer wird der Film aber nie. Verschwörungs-, Sci-Fi- und Thriller-Elemente werden kombiniert und mit erfrischendem Humor angereichert. Auffällig ist besonders der Animationsstil, der mit 3D-Hintergründen, 2D-Zeichnungen und Vektor- Animationen aufwartet. Gewöhnungsbedürftig, aber äusserst gelungen. Auch dank der tollen Kameraarbeit entstehen immer wieder grossartige Bilder, die diesen mit wenigen Mitteln finanzierten europäischen „Anime“ für Erwachsene absolut sehenswert machen.
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