Der Startschuss ist gefallen, gestern eröffneten das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart (ITFS) und die FMX (Konferenz für Animation, Visual Effects, Videospiele und Transmedia) ihre Pforten, die beide zeitgleich in der Landeshauptstadt des Schwabenländles stattfinden. Auch dieses Jahr ist ANIch als Medienpartner vor Ort , um die interessantesten Filme und Vorträge zu sichten und zu besprechen. Unsere Ziele sind hoch, neben dem gesamten Internationalen Wettbewerb des ITFS mit den besten Kurzfilmen aus der ganzen Welt, stehen auch diverse spannende Langfilme auf dem Programm. Unter anderem Makoto Shinkais “The Garden of Words” (“Kotonoha no Niwa”), Bill Plymptons Cheatin’, Tante Hilda! (“Aunt Hilda!”), “Minuscule – Kleine Helden” (“Minuscule – Valley of the lost ants”), The Art of Happiness (“L’Arte della Felicita”) und nicht zu letzt “Giovanni’s Island” (“Giovanni no Shima”). Bei der FMX winken einige spannende Präsentationen, zum Beispiel von Andy Serkis, der erstes Material von “Dawn of the Planet of the Apes“ vorstellen wird. Geplant ist auch ein Gastbesuch beim Podcast unseres Bloggerkollegen Alexander Matzkeit von Real-Virtuality, der ebenfalls auf seinem Blog das ITFS begleitet.
“Making Of Minuscule”
Den Anfang machen wir mit einem Blick hinter die Renderkulissen von Minuscule. Pierre-Marie Fenech (Production Manager) und Thomas Monti (Animation Director) von der federführenden Futurikon Filmproduktion stellten die Verfilmung der gleichnamigen Serie vor (den Kinofilm und die Serie hatten wir euch in diesem Artikel bereits näher vorgestellt). Als Einführung schmissen die beiden Filmemacher mit einigen interessanten Zahlen um sich. Minuscule – Valley of the lost Ants ist in Frankreich mit 1,4 Millionen Besuchern der zehnt erfolgreichste Kinofilm des Jahres, noch vor DreamWorks’ Mr. Peabody & Sherman (Rang 11) und dicht hinter The Lego Movie (Rang 8). Insgesamt arbeiteten knapp 100 Artists über zwei Jahre an dem Projekt, das unterm Strich neun Millionen Euro gekostet hat. Der Film besteht aus insgesamt 718 Shots, 649 davon enthalten Animation oder VFX. 440 Liveshots, 140 Full CG-Shots.
“An Animation Movie made like a VFX-Movie”
Mit dieser einfachen Beschreibung wurde gleich am Anfang des Panels ein, wie sich später zeigte, sehr treffendes Bild zum Film vermittelt. Denn die größten Herausforderungen, die die Produktion von Minuscule mit sich brachte, waren größtenteils von technischer Natur und drehten sich darum um die Einbettung der zu Comicfiguren umgemünzten Insekten, in die größtenteils realen Hintergründe. Einige Schauplätze wurden sogar per Miniaturen nachgebaut. Der komplette Film wurde in nativer Stereoskopie mit 3D-Kameras von Red gedreht. Das mache gemäß Fenech auch den Hauptunterschied zur Serie aus. Dort konnten sie aufgrund der zweidimensionalen Bilder noch mit einfachen Tricks arbeiten und somit Unstimmigkeiten in den Größenverhältnissen und Bewegungen erschummeln. In 3D war das nicht mehr der möglich. Dies zeigte sich insbesondere dann problematisch, wenn es darum ging, die gerenderten Protagonisten in das Live-Footage zu integrieren, deren Topologie erst in 3D nachgebaut werden musste, um anschließend darauf animieren zu können. Wenn jedoch das Mesh der nachgebauten CG-Landschaften nicht absolut präzise den originalen Aufnahmen entspricht, macht sich in der stereoskopischen Projektion jede kleinste Abweichung doppelt bemerkbar.
Ironische Insekten
Eine andere Herausforderung – in quantitativer Hinsicht – war das Cleanen des live gedrehten Filmmaterials, das aufgrund der verwendeten Scheinwerfer voll mit echtem Ungeziefer war. Dass echte Mücken und Fliegen aber nicht unbedingt dem Stil des Films zuträglich sind, versteht sich von selbst, weswegen in akribischer Handarbeit das Material erst von Insekten befreit werden musste, nur um danach wieder künstliche Insekten einzupflanzen. Echtes Makro war aufgrund der technischen Limitierung der Kameras nicht möglich, weswegen auch an dieser Stelle getrickst werden musste. In manchen Shots haben die Ameisen eine Größe von zehn Zentimetern, was aber aufgrund der gewählten Bildausschnitte nicht auffällt, gemäß Fenech. Mit der Qualität des makroskopischen Effekts stehe und falle der gesamte Film, so die Macher, denn auch wenn die animierten Insekten sehr überzeichnet sind und die Makroskopie des Films mehrheitlich vorgetäuscht werden musste, so musste es für den Zuschauer trotzdem 100% real und glaubwürdig wirken. Ein sehr schmaler Grad.
Weitere Facts zum Film
– die Insekten verfügen über keine Sprache noch Mimik, alles wird über simple Augenbewegungen und Körpersprache, wie auch Ton realisiert
– die Regisseure Hélène Giraud und Thomas Szabo sind große Fans von Filmen aus der Stummfilmära, entsprechend nahmen sie sich diese für Minuscule als Vorbild, was aber ein Problem für die 3D-Auslegung des Films war. Stummfilmhandlungen bewegen sich meist nur in den X- und Y-Achsen, für den stereoskopischen Effekt ist jedoch vor allem die Z-Achse ausschlaggebend. Entsprechende Überzeugungsarbeit musste gegenüber dem Regisseur gemacht werden
– gearbeitet wurde mit Maya, Arnold, Nuke, Houdin und Photoshop
– den Film in 3D zu drehen verursachte einen 2.5 bis 3-fach größeren Aufwand als ein herkömmlicher 2D-Film. Für jedes Auge musste quasi ein eigener Film erstellt werden, die wiederum am Ende zu einem einzelnen Film zusammengefügt werden mussten. Ein generelles Problem, weswegen viele US-amerikanische Filme bis heute nachträglich konvertiert werden
Am kommenden Samstag erfolgt das Screening von Minuscule – Valley of the lost Ants im Rahmen des ITFS. Ich bin gespannt, ob nach den zahlreichen Lorbeeren und der wirklich sehr vergnüglichen Serie, der Film meinen Erwartungen gerecht wird. Denn eine “nur” auf 90 Minuten gestreckte Serienfolge wäre mir persönlich zu wenig, ein Eindruck, der aber nach dieser Präsentation nicht bestätigt wurde. Eine Rezension folgt natürlich nach Sichtung des Films.