Was lange währt wird endlich gut. Eigentlich hätte das folgende Interview in unserer Fresh from Filmaka-Reihe erscheinen sollen, aber einige Verzögerungen die Teils auf unser Konto gingen, führten dazu, dass dieser Artikel über die Filmakademie Absolventin Carmen Büchner und ihren 2013 fertig gestellten Abschlussfilm “Contrast” nun doch in unserer ITFS 2014 Nachberichterstattung landete, wo der Film im Internationalen Wettbewerb antrat. Den Trailer zum Kurzfilm findet ihr am Ende des Interviews.
Contrast
Ein minutiöser Blick in die Schönheit einer sommerlichen Blumenwiese offenbart einen rasanten Kampf um Dasein und Erhaltung des natürlichen Gleichgewichts.
ANIch: Mit welcher Idee oder Zielsetzung nahm “Contrast” als Projekt seinen Anfang? Was waren für dich die Schwerpunkte?
Carmen Büchner: Inspiriert von der Natur bemalte ich im Frühjahr 2012 eine Leinwand (120 x 100cm) mit abstrakten Strichen und Formen. Idee war es, in diesem Bild eine sommerliche Blumenwiese aus der Topshot-Perspektive darzustellen. Letztlich wurde es ein wirklich sehr abstraktes Bild, in dem man Käfer oder ähnliche Kreaturen zu erkennen glaubte. Ich nannte das Bild „Wiesenrausch“. Es hing nach seiner Fertigstellung in meiner Wohnung, wo es immer präsent war. Inspiriert vom Bild, entstand die Idee einen Film zu drehen, genau in diesem Stil.
Mir war es wichtig, den Kontrast zwischen menschlicher Wahrnehmung und dem eigentlichen Sein darzustellen. Dafür habe ich mich im August 2012 auf eine große, wild bewachsene Wiese gesetzt und stellte schnell fest, dass das Gefühl von Perfektion, Romantik und Entspannung, welches in der Werbung und im TV dargestellt wird, in Wirklichkeit ein ganz Anderes ist. Ich empfand es eher als einen Kampf von Insektengruppen, die dabei permanent an einem klebten und Juckreiz auslösten. Diese Atmosphäre hatte eher was von Beklemmung und vielleicht auch ein wenig von Ekel vor dem, was alles an solch einem Ort lebt. Dabei spielte natürlich die Geräuschkulisse zusätzlich eine enorme Rolle. All diese Empfindungen basieren auf Gefühlen, Erfahrungen und natürlich auch auf Ängsten. So legte ich ganz klar den Fokus auf Formen und Farben, um somit Assoziationen von Menschen anzusprechen und auch zu lenken.
Wie lange hast du an dem Projekt gearbeitet von der ersten Idee bis zur Abgabe?
Das Bild malte ich Anfang 2012. Die Konzeption des Films begann im Mai. Im September begann ich mit der Erstellung der analog gemalten Texturen auf dem Leuchttisch und im Oktober startete ich die Postproduktion im Animationsinstitut. Fertiggestellt haben wir den Film ca. Mitte Februar.
Worin bestanden die Herausforderungen?
Unsere Zeit war mit einem halben Jahre Produktionszeit sehr kurz. Deshalb war ich auch gezwungen den Fokus stark zu konzentrieren. Ich hatte mich entschlossen, einen wirklich sehr simplen Erzählstrang zu entwickeln, um ausreichend Zeit für die visuellen Inhalte zu haben, um somit ein einzigartiges Design zu schaffen. Später haben Produzentin Catherine Ackermann und ich uns dazu entschlossen „Contrast“ zusätzlich stereoskopisch zu produzieren. Ich musste einen Mittelweg finden, wie technische Innovation mit experimentellem Design kombinierbar und machbar bleibt. Das war für mich persönlich wohl die größte Herausforderung, wenn man bedenkt, dass ich mich vor „Contrast“ mit dem Thema Stereoskopie noch nie auseinander gesetzt hatte. Dies bedeutete natürlich viel lesen, recherchieren, Möglichkeiten abwägen und Inhalte ausbalancieren.
Erzähl bitte etwas detaillierter über die Entwicklung des visuellen Konzepts deines Films.
Jeder Shot, jeder Moment, jedes Bild sollte so gestaltet sein, dass es ein Kunstwerk ist, welches man ausdrucken und in seine Wohnung hängen will, quasi, ein bewegtes Kunstwerk. Ich habe mich sehr viel mit philosophischen Ansätzen beschäftigt. Ich überlegte, wie ich visuell auf den Tod eines der zwei Protagonisten hinarbeiten kann. Die Lösung lag recht nah, so habe ich hinführend, Elemente kreuzartig angeordnet und positioniert. Ich denke, dass man diese von mir bewusst gesetzten Botschaften nur unterbewusst registriert. Mir war es jedoch wichtig allen Elementen im Bild eine Berechtigung und Bedeutung zu schenken, sonst wäre es bloße Willkür gewesen.
Ein großes Thema spielten Farben. Bis zur zweiten Minute ist der Look des Films sehr pastellig, hell und der Sonnenstand wird aufgezeigt. Mit dem Kampf verwandelt sich der Film überwiegend in rote Flächigkeiten, welche Gewalt, Leid und Schmerz symbolisieren. Der Kampf ist beendet und wir finden weinrote Töne vor. „Contrast“ endet in einem dunklen Blau und wir finden uns in der Nacht wieder. Die Kamera verlässt den eben besuchten Ort in Richtung Himmel.
Der Look des Films sollte von Beginn an, analoge Elemente mit digitalen Elementen mixen. Der Großteil der Texturen entstand auf dem Leuchttisch, die anschließend digitalisiert und im 3D-Raum positioniert wurden. Ich habe Liquidaufnahmen erstellt, welche besonders beim Kampf zum Einsatz kamen. Ich habe mit Farbpigmenten Aufnahmen erstellt um viele kleine Tiere in der Luft etc. zu erzählen. Die gesamte Entwicklung des Films war ein ausprobieren vieler unterschiedlicher Ideen und ein kombinieren von x-Elementen (z.B. Sprays, 3Elemente, 3D Partikel, CG-Blut (umgesetzt von Thomas Hartmann), Ölmalerei, Texturen von Leinwänden, Wasseraufnahmen, etc.) Das hat die Produktion so wundervoll abwechslungsreich und spannend gemacht.
“Contrast” vermittelt das Gefühl, als würdest du den Zuschauer für einen kurzen Moment in eine abstrakte, aber dennoch klar als mikrokosmische Welt entführen. Eine Welt voller Gefahren, wo hinter jedem Grashalm und in jedem Schatten Unheil lauern könnte. Das hat – auch dank des dichten Sound Designs – eine beklemmende Wirkung. Nun die goldene Frage: War das eine Intention, oder verfolgtest du ein anderes Ziel?
Meine Intention war ganz klar den Kontrast der menschlichen Wahrnehmung und dem eigentlichen Sein aufzuzeigen. Dramaturgisch habe ich den Film so konzipiert, dass er wie eine Klammer funktioniert. Wir kommen von außen in einen kleinen Moment und betrachten das Detail. Am Ende verlassen wir den Moment und kehren zurück in das große Ganze. Du siehst Unheil und Verderben, ein Anderer, sieht abstrakte Bilder. „Contrast“ soll aufgrund seines experimentellen Charakters den Raum für verschiedene und gleichberechtigte Rezeptionen bieten. Das macht es erst spannend und regt zum Austausch von Gesprächsinhalten an. Die Frage nach richtig und falsch im Denken, Handeln und Tun, kann aus meiner Sicht, nicht pauschal beantwortet werden. Jeder kreiert sich aufgrund seiner Erinnerungskatalysatoren seinen ganz eigenen Film.
Am Ende zoomst du fast mit einer diabolischen Ruhe aus dem Dickicht und damit aus der Szene heraus und lässt Blätterwerk und Umgebungsgeräusche das abgebildete Grauen wieder überdecken.
Ja, das ist richtig. Ich würde es zwar nicht unbedingt „Grauen“ nennen. “Contrast“ thematisiert ein Naturgesetz, der Kampf um die Beute bestimmt über Leben und Tod. Der Stärkere gewinnt und der Schwächere stirbt und wird in die Nahrungskette zurückgegliedert. Im Tierreich ganz normal, alltäglich und notwendig. Es steht alles im Kontrast zur kommerziellen Wahrnehmung einer Wiese. Mir gefällt der Mix aus der einerseits sehr realistischen, dreckigen Kolorierung und den andererseits stark abstrahierten Formen, Schatten und limitierten Animationen.
Die Vertonung des Films benutzt starke Dissonanzen und erzeugt durch seine tiefen Klänge einen dichte, bedrohliche Stimmung. Er wirkt gleichzeitig durch seine realistische Auslegung sehr erdend, was die abstrakten Bilder kontrastiert. Wie die Bilder, wirken auch die Klänge wie ein komplexes Geflecht. Hast du hier deiner Komponistin freie Hand gelassen oder hat sie streng nach deinen Anweisungen gehandelt?
Aufgrund der Tatsache das „Contrast“ ein Kunstprojekt ist und ich in meinen Entscheidungen des Designs der Bilder vollkommen freie Hand haben wollte, war für mich ganz klar, dass die Musikerin Denise Segschneider ebenso die Freiheit im Komponieren braucht, wie ich. Wir haben sehr viel über Kunst gesprochen und haben schnell festgestellt, dass wir beide dasselbe Verständnis für Kunst und Experimentalität haben. Wir haben die experimentellen Phasen aufgeteilt. An Stellen wo Bilder und Momente besonders abstrakt scheinen, sollte die Musik klar die Stimmung dominieren. Denise hat sehr früh in der Produktion begonnen den Sound zu definieren. Sie hat auf sehr experimentelle Weise Sounds erstellt, z.B. Spachtel und Farbe welche in Kombination über eine Leinwand gleiten. Nebenher hat sie Noten komponiert, welche vom Babelsberger Filmorchester eingespielt wurden sind. Sie hat von Anfang an das Projekt gut angenommen und ich habe ihr mein volles Vertrauen geschenkt. Beim Dimension3 Award hat „Contrast“ sogar einen Extra-Preis von Dolby Digital, Paris überreicht bekommen, für die außergewöhnliche, gut komponierte Musik und das experimentelle Sounddesign.
Kannst du uns etwas zu dem gewonnenen Dimension3 Award sagen?
Allein die Nominierung beim Festival, war für uns ganz „groß“. Das wir letztlich sogar noch gewinnen war total „abgefahren“. Wir sind ein wirklich kleines und tolles Team gewesen, namentlich Produzentin Catherine Ackermann, für Musik Denise Segschneider und für Visuelle Inhalte/Umsetzung meine Wenigkeit. Jeder hat viel Kraft und Gedankengut in das Projekt gesteckt, so dass wir untereinander eine wirklich starke und enge Verbindung hatten. Natürlich ist es dann umso genialer, wenn dieses Team für die ganze Arbeit gewürdigt und bestätigt wird. Es gibt dem Projekt nach der Fertigstellung eine Daseinsberechtigung und man weiß wofür man so lange Zeit so hart gearbeitet hat. Das Schöne ist, dass wir trotz der vielen Hürden, die wir nehmen mussten und der vielen Täler, die wir durchwandert haben, sind wir unserer Linie und unserem Konzept treu geblieben. Ich denke, dass der Gewinn des 3Dimension Award eine Bestätigung ist, dass diese Art von Film, Menschen begeistern und emotional mitreisen kann.
Auf der offiziellen Webseite der Filmakademie steht über dich „In dieser Zeit entwickelte Sie ihre eigene Handschrift in Form und Design.“ Was glaubst du, definiert deine eigene Handschrift?
Ich denke, dass meine Handschrift bereits in der Auswahl meiner Themen verankert ist. In meinen eigenen Arbeiten kommt in verschiedensten Formen und Facetten, das Thema Natur zum Ausdruck. Ich stelle einfache Sachverhalte, sehr unkompliziert in einen abstrakt künstlerischen Gesamtkontext.
Wie kamst du zur Animation/Visual Art und erzähle bitte kurz von deiner Zeit in Ludwigsburg.
Mein Bruder hat mich mit 14 Jahren vor das Programm „After Effects“ gesetzt und meinte ich solle jetzt eine Logoanimation machen. „Zur Hölle, was ist eine Logoanimation?“ Das waren dann wohl meine ersten Gehversuche in der Animationswelt. Mir hat das Spaß gemacht und ich habe eine große Leidenschaft entwickelt für das was ich heute tue. Ich finde diesen Beruf so spannend, weil einfach alles möglich werden kann. Es können fremde Welten erschaffen werden, ich kann Figuren sprechen und bewegen lassen, oder Städte wachsen lassen. Man hat die Chance Unmögliches möglich zu machen.
Ich habe in Ludwigsburg sehr viel gelernt, fachlich sowie menschlich wurde ich wirklich gefordert. Meine Studienzeit habe ich dazu genutzt in die unterschiedlichsten Bereiche von Film und Animation hineinzusehen. Die Möglichkeiten waren ja alle gegeben, warum nicht nutzen!
“Contrast” ist dein Abschlussfilm. Wie sehen deine Pläne für die nahe Zukunft aus? Wo siehst du dich in fünf oder zehn Jahren?
Im Januar 2014 fand eine „Contrast“ Ausstellung in Zürich statt. Dort wird nicht bloß der Film gezeigt, sondern auch parallel dazu entstandene malerische Werke, Kunstdrucke, Poster etc. werden ausgestellt. Zurzeit arbeite ich an meiner neuen malerischen Reihe, die den Namen „Stumpfsinn“ trägt. Der gleichnamige Film soll im Herbst 2014 fertig gestellt werden. Das Projekt handelt von der Kritik an dem gesellschaftlichen Funktionieren, dem gedankenlosen Konsumieren und dem Ablegen von natürlichen Grundinstinkten. Jegliche Art von technologischem Fortschritt bringt Opfer und führt unweigerlich dazu, dass wir ein Stück mehr vergessen, was die Natur uns mitgegeben hat. Für die nächsten Jahre wünsche ich mir neue spannende Kunstprojekte, die ihren Schwerpunkt in der Kombination aus abstrakter Malerei & Film haben.
Herzlichen Dank für das Interview!
Trailer CONTRAST from carmenbuechner on Vimeo.