Hier folgt der dritte und vorerst letzte Streich unserer Fresh from Filmakademie-Kolumne, die eine kleine Brücke zwischen den neuesten Animations-Abschlussfilmen des Animationsinstituts der Filmakademie Baden-Württemberg und dem Internet schlagen soll. Diesmal widmen wir uns Wedding Cake von Viola Baier (die während ihrem Studium ein Austauschjahr in Paris an der renommierten Animationsschule Gobelins einlegte und zur Zeit wieder in der französischen Hauptstadt weilt, um als Junior Animator bei Illumination MacGuff (Ich – Einfach unverbesserlich 1 und 2) zu arbeiten). An dieser Stelle geht unser Dank natürlich wieder an die Filmakademie für die freundliche Unterstützung und an Viola Baier für das interessante Interview.
Wedding Cake
Eine kleine Geschichte über das Leben von Marie und Antoine als Ehefrau und Ehemann auf der Spitze einer Hochzeitstorte. Wedding Cake zeigt auf bittersüsse Weise, wie Alltagsroutine, mangelnde Anstrengungen und abnehmende Anziehungskräfte eine Beziehung beeinträchtigen können.
ANIch: Mit welcher Idee oder Zielsetzung nahm Wedding Cake als Projekt seinen Anfang? Was waren für dich die Schwerpunkte?
Viola Baier: In Wedding Cake wollte ich darauf eingehen, wie Liebe – eines der profundesten und ehrlichsten Gefühle überhaupt – mit der Zeit schwinden kann und sich sogar in Hass verwandeln kann. Wichtig für mich war, dass dabei keine äußeren Einflüsse (Affären oder ähnliches) eine Rolle spielen. Das Ganze sollte in einer überzogenen, komödiantischen Form mit einem Augenzwinkern gezeigt werden. Außerdem wollte ich mit geschlechtsspezifischen, stereotypischen Charakteren spielen und Symbole und Sinnbilder verwenden. Eines meiner großen Ziele war es, einen gewissen Wiedererkennungswert für den Zuschauer zu schaffen. Am Ende sollte dabei ein lustiger und unterhaltsamer Film herauskommen, hinter dem man doch einen ernsthaften Grundgedanken entdecken kann.
Wie lange hast du an dem Projekt gearbeitet, von der ersten Idee bis zur Abgabe, und welche Programme kamen zum Einsatz?
Insgesamt haben wir ungefähr zweieinhalb Jahre an dem Film gearbeitet. Eingesetzt wurden Photoshop (Design, Texturen, Matte Paintings), Premiere, After Effects, Combustion (Schnitt, Compositing der 2D Animationen), Maya (Modeling, Rigging, CG-Animation), Mudbox (Texturing), TVPaint (2D Animationen), Realflow, XSI, (Effekte), Houdini (Effekte, Lighting, Rendering) und Nuke (Compositing). Gerendert werden übrigens alle Projekte der Filmakademie mit der Royal Render Renderfarm. Ganz besonders weitergeholfen für das manuelle animieren der Teigeffekte hat uns auch L-Brush, ein Plug-in für Maya, das Joe Alter geschrieben hat und uns freundlicherweise sogar für eine Zeit lang umsonst zur Verfügung gestellt hat.
Worin bestanden die Herausforderungen beim Projekt (erzählerisch, visuell oder technisch)?
Es gab viele Herausforderungen, in so ziemlich allen Bereichen. Erzählerisch war es zum Beispiel für mich eine große Herausforderung, den Film aus einer neutralen Perspektive zu erzählen. Ich wollte nicht, dass man eindeutig für einen der beiden Charaktere Partei ergreift. Nachdem ich den Film ein paar Mal gezeigt hatte und nachgefragt habe, zeigte sich, dass sich viele Frauen am Ende des Films mehr mit der Marie (der Braut) identifizieren konnten, während die meisten Männer mehr zu Antoine tendierten. Das hat mich sehr gefreut, weil es genau die Reaktion war, auf die ich gehofft hatte.
Visuell war die Herausforderung, einen CG-Stil zu erschaffen, der an ein gemaltes Bild erinnert. Niko Wuttke, unser TD, der für das Look Development zuständig war, hat lange gegrübelt und unglaublich komplexe Techniken entwickelt, um den gewünschten Stil zu erreichen. Wenn man sich das Making-Of zu Disneys Kurzfilm Paperman ansieht, der einen solchen Stil wundervoll umsetzte, kann man sich so ungefähr vorstellen, wie viel Arbeit dahinter steckt. Nachdem viele Ansätze durchprobiert worden sind, haben wir letztendlich schwarz-weiße Strichtexuren für jedes einzelne Objekt gemalt, die dann in Houdini durch Nikos Shader in zwei Farbwerte umgesetzt wurden. Ausserdem hat Niko ein spezielles Licht-Rig an jedes Objekt gehängt, so dass jede Figur immer ein schönes Kantenlicht hatte, das sich je nach Kamerawinkel automatisch ausrichtete. Da der Film auf einer Torte spielt und es einige Interaktionen mit dem Kuchenteig und der Glasur gibt, war auch das eine Herausforderung. Unser Team, das sich um die Effekte gekümmert hat, war dabei sehr einfallsreich und hat je nach Shot individuelle Lösungen gefunden.
Hattest du spezielle Vorbilder oder Referenzen für deinen Film?
Vorbilder für den Stil des Filmes waren die Bilder von verschiedenen Künstlern wie Mary Blair oder Lorelay Bové, die mit ihrem reduzierten Stil in den Figuren eine tolle Ästhetik schaffen. Farblich wollte ich einen zarten, pastellfarbenen Look gestalten, der sich im Laufe des Films mit der Stimmung der Charaktere wandelt. Generell bin ich sehr vom Disney-Look inspiriert, was man in früheren Filme sieht, aber auch an einigen Stellen in Wedding Cake merkt.
Im Abspann sieht man eine beeindruckende Liste von Helfern. Hast du zum ersten Mal ein solch großes Team geleitet? Gab es organisatorische Hürden zu meistern? Kannst du uns einige Worte zum Produktionsablauf sagen?
Für mich war es tatsächlich das erste Mal, dass ich mit solch einem großen Team gearbeitet habe. All meine Projekte davor habe ich ziemlich eigenbrötlerisch, fast alleine oder mit sehr, sehr wenigen Helfern umgesetzt, und habe mich dabei meist über Wochen sozial abgeschottet in meinem Zimmerchen eingesperrt. Bei Wedding Cake war es von vorne herein klar, dass ein großes Team notwendig war, um den Film in 3D umzusetzen. Im Endeffekt hatte der Film eine riesige Anzahl an Helfern und es hat mich immer wieder beeindruckt und gefreut, wie vielen Leuten das Projekt so gut gefallen hat, dass sie bei der Produktion mithelfen wollten. Ähnlich, wie Moritz es schon in seinem Interview zu Harald erwähnt hat, ist es aber nicht so, dass jeder dieser Helfer über die gesamte Produktion, mit dabei ist. Manche sind über mehrere Monate mit an Bord, andere wollen nur ein, zwei Shots machen, das war ganz Individuell. Man freut sich natürlich über jede helfende Hand.
Für mich hat sich schnell herauskristallisiert, dass ich mein Feedback am klarsten und eindeutigsten geben kann, in dem ich visuell kommuniziere. Somit war es meine liebste Methode, Screenshots der Arbeiten meiner Helferchen zu schießen und in Photoshop über die Stellen zu zeichnen, die noch weitere Bearbeitung brauchten. Diese Methode hat sich als so effektiv herausgestellt, dass sie überall zum Einsatz kam. Von Modeling über Rigging, Texturing, Effekte, Shading, Lighting und sogar bei der Animation.
Organisatorisch gab es bei so vielen Leuten natürlich viel zu tun und je mehr Leute an einem Projekt mitarbeiten, umso schwieriger wurde es, einen gleichbleibenden Stil im Film beizubehalten. Einige Lösungen dafür waren Style Guides, beispielsweise genauste Konzept Bilder fürs Lighting, oder Beispiele für Dos und Don’ts in der Animation. Zum Einsatz kam auch eine vorher erstellte Pose Library, in der ich jeden im Film vorkommenden Gesichtsausdruck der Figuren entworfen und gespeichert hatte. Per Knopfdruck konnten die Animatoren dann den Gesichtsausdruck der Figuren ändern. Damit wurde nicht nur eine Menge Zeit gespart, sondern zusätzlich auch noch sicher gestellt, dass die Gesichtsausdrücke der Figuren „in Model“ bleiben. Die größte Schwierigkeit bei einem so großen Team ist jedoch, selbst noch Zeit zur künstlerischen Arbeit am Film zu finden. Dadurch, dass man so viele Treffen und Feedbackrunden machen muss, kommt man oft erst nach 8 Uhr abends zum animieren seiner eigenen Shots.
Gibt es bereits Termine, wann und wo dein Film gezeigt wird (In- und Ausland)?
Wedding Cake wurde bereits vom Animationsinstitut der Filmakademie auf einige Festivals eingesendet und lief Ende September auf dem Encounters Animation Festival in England. Außerdem wird er zwischen dem 12. bis 16. November auf dem Bradford Animation Festival in England zu sehen sein, zwischen dem 19. bis 22. November in Hong Kong auf der Siggraph Asia, wo er in der Kategorie „Best Student Project“ nominiert wurde, und am 24.-25. Oktober in Berlin auf der Animago, nominiert in der Kategorie „Best Character Animation“. Das Animationsinstitut und die Filmakademie sendet die studentischen Filme auf die größten Festivals ein, ich selbst werde in Zukunft versuchen, privat die Auswertung der kleineren Festivals abzudecken, damit der Film nicht nur dem Fachpublikum zugänglich bleibt. Über die nächsten Vorführungstermine informieren wir übrigens regelmäßig auf der Wedding Cake-Facebook Page.
Du hast 2011 den Caligari Award für Wedding Cake gewonnen. Kannst du uns dazu genaueres sagen? Wie kam es dazu?
Die Studenten der Filmakademie haben jedes Jahr die Möglichkeit, ihre Projekte beim „Caligari Award“ vorzustellen, um somit ein Sponsoring zu erhalten. Wir haben Wedding Cake damals im Anfangsstadium vorgestellt und konnten die Jury alleine mit der Geschichte, dem Konzept, und den ersten Designs und 3D.Modellen von dem Projekt überzeugen und haben somit einen Caligari Preis gewonnen, der von der Stadt Ludwigsburg gestiftet wurde. Von dem Geld konnten wir einige wichtige Produktionsausgaben decken, unter anderem konnten wir die Nutzungsrechte an unserem Credit Song „Let you go“ von „Vespertina“ sichern.
Du folgst mit Wedding Cake dem Weg des typischen, nonverbalen Animationsfilms, in denen die Figuren wortlos, rein mit Gesten miteinander Kommunizieren. Und dennoch hat man das Gefühl, manchmal echte Wortfetzen herauszuhören – mit französischem Akzent. Kannst du etwas genauer erzählen, wie du die Fantasiesprache (Gibberish) deiner Figuren entwickelt hast? Ein interessantes Detail ist zudem, dass im TV verständliches Deutsch gesprochen wird.
Unsere Phantasiesprache zu entwickeln, war eine weitere Herausforderung im Film. Zunächst war der Film ganz ohne Sprache geplant, und sollte nur mit Gemütslauten wie seufzen oder grummeln funktionieren. Nach den ersten Tonaufnahmen mit unseren Sprechern Helge Sidow und Jessica Krämer stellte sich aber heraus, dass das, besonders gegen Ende des Films, nicht funktionierte, wenn Marie Antoine dazu bewegen will, mit dem Hund Gassi zu gehen. Ich wollte keine echte Sprache verwenden, damit der Film international verständlich bleibt, und somit war klar, dass eine Phantasiesprache entwickelt werden musste. Vorbilder dafür waren das Gibberisch aus La Linea und Pingu, die in sich auch wie eine Sprache klingen, die real existieren könnte. Die Sprache ist eine Mischung aus englischen, spanischen, italienischen und französischen Einflüssen.
Zusammen mit meiner Sound Designerin Nami Strack (die übrigens über den Ton eine wundervolle Tortenwelt erschaffen hat und fast alle Sound Effekte selbst im Studio aufgenommen hat) haben wir uns dann für die Aufnahmen entschieden, die in eine französische Richtung gingen. Der französische Akzent passte zum Stil des gesamten Films: die Figuren hatten im Drehbuch alle französische Vornamen (auch wenn der Zuschauer sie nicht erfährt), der Stil der Tortenwelt war nach dem Vorbild französischer Patisserien entstanden, und Balz Aliesch hatte eine wunderschöne Filmmusik komponiert, die mit Glockenspiel und Akkordeon sehr an französische Musik angelehnt war.
Um kurz die Sache mit dem Fernseher zu erklären: Wir hatten vor, für eine internationale Fassung eine englische Version der Werbung und des Fußballspiels auf zu nehmen, haben uns aber dagegen entschieden, weil es sich gezeigt hat, dass Niemand wirklich darauf achtet, was im Fernseher gesagt wird. Es hat für den Film auch keine Relevanz. Im Gegenteil, es wäre eher ablenkend. Aber wenn man deutsch versteht und ganz genau hinhört kann man aus dem Fußballspiel lustige Sachen raus hören, die alle mit Backen und Kuchen zusammenhängen. Meine Lieblingsstelle ist der „Zuckerpass von Miroslav Soße zu Philipp Rahm“.
Meine persönliche Lieblingsszene ist diejenige, als sich das Tortenpaar sich gegenseitig die Urlaubswünsche erklärt und man merkt, wie die Beziehung an einem Wendepunkt ankommt. Was sind deine Lieblingsszenen oder Momente?
Da hast du dir auch eine meiner Lieblingsszenen ausgesucht. Ich finde diese Sequenz besonders wichtig im Film, weil es, meiner Meinung nach, eins der elementarsten Problemen in Beziehungen ist. Ich meine damit nicht das Aussuchen des Urlaubsortes, sondern viel mehr, dass Konflikte nicht mehr gelöst werden.Weil bei Meinungsverschiedenheiten kein Kompromiss gefunden wird, wird das Thema einfach wortlos vom Tisch gewischt und totgeschwiegen. Auch wenn man sich danach wieder verträgt, steht da immer noch ein Konflikt unausgesprochen im Raum. Eine andere Lieblingsszene für mich ist, aufgrund der emotionalen Intensität der Sequenz, der spätere Streit am Fernseher und dessen Ausgang.
Ich hatte das Gefühl, dass der Film sich zu sehr auf die Kommunikation als auf die Figuren selbst konzentriert. Sie gestikulieren, modellieren, schreien und zanken sich, aber trotzdem bleiben beide Figuren recht flach und in ihren Rollenstereotypen haften. Hattest du spezielle Absichten bei der Charakterisierung der beiden Figuren?
Tatsächlich ist das beabsichtigt. Wie bereits erwähnt, wollte ich, dass sich der Zuschauer selbst ein paar der Situationen aus eigenen Erfahrungen wiedererkennt. Dazu sollten die Charaktere stereotypisch dargestellt werden und nicht zu viel Individualität bekommen, denn sonst hätte das mit der Übertragbarkeit nicht mehr so gut funktioniert. Bevor ich die Geschichte entwickelt habe, habe ich sehr viel Recherche dazu betrieben, warum Beziehungen scheitern können. Ich habe viel gelesen, auf eigene Erfahrungen zurückgeblickt, aber am meisten geholfen hat es mir, mein Umfeld zu befragen. Das war sehr interessant, denn die Antworten, die ich auf die Frage nach Unzufriedenheit in Beziehungen bekam, waren überraschenderweise sehr auf geschlechterspezifische Problematiken konzentriert, à la „er klappt die Klobrille nie runter und hört mir nicht richtig zu“ und „sie wird immer zickig und kontrolliert mich zu sehr“.
Das Verblüffendste für mich war, dass es am Ende nicht die vermeintlich großen Themen wie die Kinderfrage oder ähnliches waren, die für das Scheitern einer Beziehung verantwortlich waren. Es waren kleine Dinge, wie nervige Gewohnheiten oder die Tonalität, in der man miteinander spricht und umgeht. Dinge von denen man ausgeht, dass man sie leicht ändern könnte, die aber in den meisten Fällen letztendlich über den Verlauf der Zeit ausschlaggebend waren für das Ende einer Beziehung. Das hat mich auf drei Beziehungsstufen gebracht, in denen ich meinen Film erzählte:
- Der elementare Konflikt der Kinderfrage, für den man einen Kompromiss finden kann
- Der mittelgroße Konflikt, für den man keinen Kompromiss findet, der aber schweigend so hingenommen wird
- Die kleinen Streitereien über unwichtigere Sachen, wie das Ausführen des Hundes, die letztendlich eskalieren
Was bei deinem Film besonders ins Auge sticht, ist die klare, sehr klassisch angelegte Art der Animation. Gab es nennenswerte Aspekte bei der Entwicklung und Umsetzung der Character Animation?
Für mich war es wichtig, dass die Animation ein Mix aus zwei verschiedenen Animationsstilen wird: Einmal eine sehr überzogene Animation im Cartoon Stil mit allen klassischen Techniken. Zum anderen wollte ich naturalistische Bewegungen in den ernsthaften Momenten des Films, um nochmals die Verbindung mit dem realen Hintergrund der Geschichte zu schaffen. Ich liebe Facial Expressions und Gefühle, die man mit einem Gesichtsausdruck erzählen kann. Deswegen war mir die Animation der Gesichter besonders wichtig. Das Schwierige war, dass es Marzipan Figuren waren, die nur zwei schwarze Punkte als Augen hatten. Besonders schwer ist es damit auch gewesen, klare Blickrichtungen zu animieren.
Die Szenen innerhalb des Fernsehers stechen heraus, weil sie klassisch per Hand animiert wurden, was stilistisch an deine früheren Filme Mister Pin Up oder Manège Magique erinnert. Generell fällt auf, dass Wedding Cake dein erster richtiger CG-Film ist.
Ja, Wedding Cake ist mein erster computeranimierter Film und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich unbedingt lernen wollte eine gesamte CG-Produktion zu bewerkstelligen und mit einem großen Team zu arbeiten. Außerdem hat es mich gereizt, einen neuen Stil zu schaffen: gerendert aber mit einem artifiziellen Look. Ich hatte davor bereits ein paar Erfahrungen mit CG, hauptsächlich durch meine Praktika und Freelancer Jobs, war dabei aber meistens nur auf einen Aspekt wie Modeling oder Animation beschränkt. Wichtig für meine Entscheidung für die Computeranimation war auch die Tatsache, dass es heutzutage sehr schwierig ist, Animationsjobs im 2D-Bereich zu finden. Die meisten Firmen arbeiten nur noch mit CG und dafür braucht man Erfahrung und ein Portfolio.
Du bietest eine zynische Sicht auf das alte Thema um Mann und Frau. Der abschließende Wink mit dem echten Hochzeitspaar bestätigt die ernüchternde Betrachtungsweise.Was hat dich dazu gebracht, diese Thematik so direkt und rabiat in einem Kurzfilm zu verarbeiten?
Der Film ist rabiat geworden, weil er plakativ sein soll. Natürlich sind diese rabiaten Szenen, die im Film gezeigt werden nur Sinnbilder, die jeder für sich auf reale Situationen interpretieren kann wie er will. Überraschenderweise habe ich gar keine ernüchternde Sicht auf Beziehungen und die Liebe, im Gegenteil, wer mich näher kennt, weiß, dass ich eher romantisch veranlagt bin. Ich persönlich bin allerdings zu dem Schluss gekommen, dass man einfach niemals aufhören sollte, den Partner Wert zu schätzen und mit seinen Eigenheiten zu akzeptieren, so wie man es oft zu Anfangs einer Beziehung macht, wenn es einem selbst noch die größte Freude ist, den Anderen glücklich zu machen. Auch wenn es nach einiger Zeit etwas mehr Arbeit bedeutet, als zu Anfang einer Beziehung.
Du hast 2008/2009 ein Austauschjahr an der französischen Animationsfilmhochschule Gobelins gemacht. Es gibt vermutlich keinen Animationsfan, der von den Werken der Pariser Hochschule nicht angetan ist. Umso mehr würde uns interessieren, was du in dem Jahr gemacht hast, an was für Projekten du gearbeitet hast und worin du die Unterschiede zwischen den beiden renommierten Hochschulen (Filmakademie und Gobelins) siehst?
Das Jahr war sehr wichtig für mich, und ich bin sehr, sehr dankbar, dass mir durch das Austauschprogramm mit der Filmakademie diese Möglichkeit geboten wurde. An der Gobelins wurden mir die Grundlagen der Animationstechnik klassisch mit Bleistift und Papier am Leuchttisch beigebracht. In meinem Austausch habe ich das komplette erste Schuljahr an der Gobelins durchlaufen dürfen. Im ersten Jahr machten wir hauptsächlich Übungen, für die man meistens um die 3 Wochen Zeit hatte. Wir wurden intensiv ausgebildet in Perspektive, Character Design, Animation, Storyboard, Acting und Vielem mehr.
Zudem hat man im ersten Jahr der Gobelins die Möglichkeit seinen Mitschülern aus dem zweiten Jahr bei der Produktion der renommierten und bekannten Trailer fürs Annecy Animation Festival zu helfen. Das habe ich natürlich auch gemacht. Während die Gobelins sehr schulisch organisiert ist, mit festen Stundenplänen und regelmäßigen, strikten Noten und Prüfungen, ist die Filmakademie freier. Man hat zwar auch guten Unterricht an der Filmakademie, aber der ist längst nicht so intensiv wie an der Gobelins und etwas breit gefächerter. Hauptsächlich ist man an der Filmakademie jedoch mit der Produktion von Filmen beschäftigt. Somit hat beides seine Vor- und Nachteile und ich bin super glücklich, dass ich von Beidem profitieren konnte.
Abschließend noch ein paar Worte zu dir: Wie kamst du zur Animation und erzähle bitte kurz von deiner Zeit in Ludwigsburg.
Ich hatte tatsächlich dieses „Aha“ Erlebnis, das mich zur Animation gebracht hat. Ich war 5 Jahre, zum ersten Mal im Kino, und durfte mir „Arielle, die kleine Meerjungfrau“ ansehen. Als „Aladdin“ dann bei uns in die Kinos kam, gab es im „Mickey Maus“ Magazin eine Sonderausgabe zum Film mit einem Interview von Andreas Deja, in dem er erzählt hat, wie er zu Walt Disney gekommen ist. Das hat mich sehr beeindruckt und ermutigt weiter an meinem Traum fest zu halten.
Während meines Praktikums in der Firma Madbox in Frankfurt am Main lernte ich sehr viel über die Produktion von Animationsfilmen. Meine Chefs waren super, und ich durfte nach Feierabend das Studio Equipment dazu nutzen, meinen Bewerbungsfilm für die Filmakademie zu produzieren. In insgesamt rund 5 Monaten erstellte ich somit nach Feierabend und an den Wochenenden, meinen ersten Animationsfilm, mit dem ich dann 2006 zur Aufnahmeprüfung an der Filmakademie eingeladen wurde, die ich dann letztendlich auch bestanden habe.
Die Zeit in Ludwigsburg war sehr schön und lehrreich, aber auch arbeitsintensiv. Im ersten Jahr durchläuft man eine generelle Filmausbildung, die ich, im Nachhinein betrachtet, als sehr wertvoll empfinde. Man bekommt dadurch einen Einblick in alle Facetten des Filmemachens und weiß genauer, was die anderen Bereiche der Filmwelt wie Produktion, Drehbuch, oder Kamera den ganzen Tag so machen.
Nach dem ersten Jahr an der Filmakademie spezialisiert man sich dann auf das beworbene Fach, in meinem Fall Animation. Die Filmakademie bietet tolle Möglichkeiten, seine eigenen Geschichten in völliger künstlerischer Freiheit zu erzählen und verwöhnt die Studenten mit der neusten Technik. Ich wage mal zu behaupten, dass keine andere Filmschule technisch so gut ausgestattet ist, wie die Filmakademie.
Wedding Cake ist dein Abschlussfilm. Wie sehen deine Pläne für die nahe Zukunft aus? Wo siehst du dich in fünf oder zehn Jahren?
In der näheren Zukunft will ich zunächst keine eigenen Filme mehr machen, und mich mehr auf Animation konzentrieren. Mein großer Traum war immer, bei tollen Kinoproduktionen mitzuarbeiten, bei einer Firma, die viel Wert auf hochwertige Animationen legt. Ich habe das große Glück, dass ich gleich nach meinem Studium von der französischen Firma Illumination Mac Guff als Junior Animator eingestellt wurde und dort an Minions Movie (Arbeitstitel), dem Spin-Off zu Ich – Einfach unverbesserlich mitarbeiten darf. Das Projekt wird im Sommer 2015 in die Kinos kommen. Die Arbeit ist super erfüllend für mich. Ich lerne jeden Tag eine Menge von meinen talentierten Kollegen, meinem Lead und den Animation Directors. Ich arbeite jetzt sogar mit ehemaligen Mitschülern aus meinem Austauschjahr an der Gobelins zusammen.
Momentan kann ich sagen, dass ich meinen Traum lebe. Wenn mich die Firma behalten möchte, könnte ich es mir gut vorstellen, nach dem Film für weitere Projekte dort zu bleiben. Es klingt aber auch reizvoll, mich für ein paar Jahre dem typischen Vagabundenleben eines Animators hinzugeben, um den Globus zu tingeln und den Projekten nach zu reisen. In zehn Jahren allerdings würde ich mich gerne gesettelt haben, und irgendwo „angekommen“ sein. Am liebsten mit einer Festanstellung als Animator in einer tollen Firma und mit viel Erfahrung im Gepäck. Vielleicht würde ich dann auch nochmal anfangen, über eigene Filme nach zu denken. Egal, wo ich sein werde, ich hoffe, ich bin mindestens so glücklich wie heute.