Anfang September wurde bekannt, dass der weltweit grösste Unterhaltungskonzern Walt Disney 4 Milliarden Dollar auf den Tisch warf und sich während der Wirtschaftskrise kurzerhand den US-amerikanischen Comic-Verlag Marvel leistete. Disney erhält dadurch auf einen Schlag Zugriff auf gut 5000 Comicfiguren. Darunter starke Zugpferde wie Spider-Man, Die X-Men, Iron Man, Blade oder Die Fantastischen Vier. Ein geschickter Schachzug!
Es braucht sich auf jeden Fall niemand davor zu fürchten, dass nun eine Verniedlichung der Superhelden Einzug halten wird. Man darf davon ausgehen, dass sich Disney eben genau umgekehrt, „härter“ positionieren möchte und nun versucht, eine neue Zielgruppe zu erschliessen. Disneys aktuelles Aushängeschild Hannah Montana ist höchstens für Mädchen im vorpubertären Alter interessant. Man hat nun die Möglichkeit die Superhelden auf die unterschiedlichste Weise zu vermarkten. Neben Kim Possible und den Jonas Brothers wird es also in Kürze mit grosser Wahrscheinlichkeit auch den Silver Surfer und den Unglaublichen Hulk auf dem eigenen TV-Kanal zu sehen geben. Darüber hinaus werden die Comicfiguren in den Themenparks auftauchen und zahlreiche Merchandising-Artikel werden in den Läden stehen. Gewinnbringend ist auch das Geschäft mit Videospielen. Neben der Versoftung der eigenen Marken, gelingt es mit einem Schlag die kaufkräftige männliche Zielgruppe anzusprechen, die am Bildschirm fantastische Abenteuer nachspielen will.
Eine Stärkung der eigenen Marke wird Disney aber besonders mit der Partizipation an den zahlreichen Comic-Verfilmungen erfahren. Der letzte grosse Zeichentrickfilm aus dem eigenen Haus, an den ich mich erinnern kann, war Lilo & Stich (2002). Ein Jahr später kam zwar noch Brother Bear. Es ist kein Geheimnis, dass man mit dem Kauf von Pixar das Ruder kurz vor dem Fall in die Ideenlosigkeit noch einmal herumreissen konnte. Toy Story läutete 1995 das Zeitalter der computeranimierten Trickfilme ein. In den Folgejahren war jede Pixar-Produktion an den Kinokassen äusserst erfolgreich. Von A Bug’s Life (1998) über Finding Nemo (2003) bis zum aktuellen Up (2009). Seither versucht sich Disney lieber an fantastischen Familien-Spielfilmen, in denen es für die Kinder lustigen Slapstick zu sehen gibt und für die Eltern Vin Disel (The Pacifier, 2005). In den letzten 10 Jahren schwang lediglich eine Disney Produktion hoch hinaus – Pirates of the Caribbean in dem Johnny Depp als Jack Sparrow Zuschauer aller Altersklassen begeistern konnte.
Marvels Fundus an ausgefallenen Comicfiguren muss für Disney von unschätzbarem Wert sein. Mit dem Kauf kann der Disney-Konzern nämlich jene Taktik weiter verfolgen, die er in der letzten Dekade konsequent durchgezogen hat. Man erfindet keine neue Franchise und entwickelt keine neuen Figuren, die einem wirklich im Gedächtnis bleiben – das wird auch beim kommenden The Princess And The Frog nicht anders sein -, sondern sichert sich die Rechte an den Produkten erfolgreicher Firmen. Disney-Stempel drauf und mitverdienen. Pixar ist schliesslich – gefühlt – noch immer nicht Disney. Nicht umsonst freut man sich jeweils über eine neue Pixar-Produktion und nicht über den neuen Disney-Film. Disney ist Donald Duck und Mickey Mouse. Schneewittchen bis Lion King. Obwohl konsequent versucht wird, den Schritt zum computeranimierten Trickfilm zu machen, scheitert man immer wieder aufs Neue. Während Wall-E mit dem starken Bild des einsamen Roboters assoziiert wird, so kann ich mich nicht mehr an die Hauptfigur von Disneys Produktion Meet the Robinsons erinnern. Und was war da noch? Himmel und Huhn. Und Bolt. Bolt! Aber nur weil der Name im Titel steht.
Die momentan so beliebten Comic-Verfilmungen sind für Disney also fast Selbstläufer. Spider-Man hat bereits drei sehenswerte und erfolgreiche Filme. Teil Vier bis Sechs sind so gut wie beschlossene Sache. Die X-Men-Reihe steht ebenfalls nicht still und richtet das Augenmerk nun auf die Entstehungsgeschichte der Hauptcharaktere (X-Men Origins: Wolverine). Mit dem zweiten Teil von Iron Man und dem Start von Thor, stehen weitere potentielle Blockbuster in der Warteschlange. Dass sich der Kauf in den kommenden Jahren mit grosser Wahrscheinlichkeit mehr als nur auszahlen wird zeigt folgende Darstellung:
MovieFill hat sich die Einspielergebnisse und die Produktionskosten von Marvel- und Disney Filmen über die letzten 11 Jahre etwas genauer angeguckt. In die Bewertung eingeflossen sind jeweils die Top 3 Filme jeden Jahres (entsprechend ist die folgende Auswertung mit Vorsicht zu geniessen). Das Diagramm zeigt, dass beide mit ihren Filmen Gewinne einfahren konnten, gemessen an den Ausgaben liegt Marvel aber deutlich vorne. Geschätzt kriegt Marvel das durchschnittliche Budget gut dreimal rein, während sich Disney im Schnitt „nur“ mit dem doppelten Gewinn zufrieden geben muss. Katastrophalstes Jahr für Disney war 2006. Zwar stürmte der zweite Pirates of the Caribbean Film in die Kinos, jedoch gab es ansonsten keine guten Produktionen, um die enormen Kosten abzufedern. Erfolgreichstes Jahr war 2007, als der dritte Piraten-Teil zusammen mit Pixars Ratatouille satte Gewinne einspielte. Marvel hat in der Darstellung keine negative Bilanz aufzuweisen. Besonders stolz dürfen sie auf das Jahr 2002 Mit Spider-Man und Blade 2 sein, dicht gefolgt von 2007 und 2006 mit Spider-Man 3, Fantastic Four, Ghost Rider und X-Men: The Last Stand.