Wie bereits in unserer Filmkritik zu “Der 7bte Zwerg” angekündigt, präsentieren wir euch heute eine ausführliche Chronik über die bewegte Produktionsgeschichte des Films inklusive einem Gespräch mit Produzent Douglas Welbat. Dieser lud uns Ende 2013 ein, mit ihm über sein Projekt zu reden. Er wollte einige Ungereimtheiten wie die massive Kinostartverschiebung um neun Monate richtig stellen, Vorurteile abbauen und insbesondere die Regiefrage nach dem Tod von Regisseur Harald Siepermann klären. Außerdem findet ihr in der Chronik einen Auszug aus einem kurzen, aber sehr aufschlussreichen weil ehrlichen Interview mit Animation Director Jan Stoltz von TRIXTER, das wir an der Animago 2013 führten. Jan übernahm nach Siepermanns Tod insbesondere die animationstechnische Verantwortung. Die unten abgebildete Chronik stellt die Entwicklung des Projekts aus der Sicht der Öffentlichkeit dar. Detaillierte Infos aus dem inneren Kreis der Produktion finden sich in den Aussagen von Stoltz und Welbat.
Die Chronik des 7bten Zwerges
19.07.2011
Erste Filmfördermeldungen machen die Runde. Das Projekt rutscht zum ersten mal in die öffentliche Wahrnehmung
März 2012
Beginn der eigentlichen Produktion am Film
16.02. 2013
Der plötzliche Tod von Regisseur Harald Siepermann schockiert die Animationswelt. Die Öffentlichkeit wusste nichts von seiner Krebserkrankung.
17.03.2013
Abgesehen von der überraschenden Todesmeldung von Siepermann wurde es sehr still um “Der 7bte Zwerg”. ANich wagt einen pessimistischen Blick in die Zukunft des deutschen Animationsfilms.
16.05.2013
Unbefriedigende Stellungnahme der Presseagentur auf unsere Nachfrage nach dem Status der Produktion und der Regienachfolge.
18.05.2013
Erster Teaser Trailer lässt nichts gutes erahnen. “Handy aus!”-Trailer im Jahr 2013?!
Sommer 2013
Gerüchte über Produktionsprobleme, erste Testrenderings sollen katastrophal ausgefallen sein.
17.07.2013
Lieber spät als nie, die offizielle Stellungnahme der Produzenten zum Tod von Harald Siepermann.
30.09.2013
Neuer Teaser Trailer zeigt die erste Szene aus dem Film inklusive Renderfehler. Der Ausschnitt wurde ohne Autorisation von dem beteiligten Studio Animationsfabrik auf YouTube gestellt.
12.10.2013
Kinostart wird annulliert, eine Verschiebung von über sechs Monaten wird angekündigt, neues Datum wird noch nicht genannt. Begründung: “technische Gegebenheiten der Animationstechnik”
25.10.2013
Präsentation von Animation Director Jan Stoltz (Trixter) an der Animago 2013 in Potsdam über die Animationen im Film. Wir führten außerdem ein kurzes Gespräch mit ihm vor Ort. Hier die spannendsten Fakten zum Film, die sich daraus ergaben:
- Der Film wurde in englisch produziert, die englischen Sprecher in Kanada aufgenommen
- Trixter übernahm den Animationspart, aber kein Lookdevelopment oder Rendering
- Regisseur Harald Siepermann designte den kompletten Film
- Jeder Zwerg hat einen Animationsvorbild (Cloudy > Grumpy, Jacko > Löwe Alex aus Madagascar, Sunny > Roberto Benigni, Bubi > Mickey Mouse und Pinocchio, Speedy > Goofy) (Bild 2)
- Die Powercenter wurden von Siepermann bei jeder Figur vorgegeben (Bild 3)
- Siepermann war ein großer Verfechter des goldenen Schnitts, entsprechend wurden die Szenen auch animiert.
- Die Animationen von Trixter wurden innerhalb der vorgegebenen Deadline fertig gestellt, somit hatten sie nichts mit der Kinostartverschiebung zu tun
- Die schwierige Zusammenarbeit der sieben involvierten Studios und die Aufteilung der Arbeitsprozesse führten zu der massiven Kinostartverschiebung. Wurde von allen Beteiligten stark unterschätzt.
- Es wurden sieben Studios in verschiedenen Bundesländern verpflichtet um die jeweiligen Filmförderungen beantragen zu können.
- Jan Stoltz und Harald Siepermann kannten sich vor Beginn der Produktion nicht, verstanden sich aber auf Anhieb.
- Jan übernahm nach Siepermans Tod die Animationsregie, Produzent Douglas Welbat übernahm andere Bereiche der Regie.
- Jan musste einige Entscheidungen von Siepermann posthum verteidigen und durchboxen.
- Das Fehlen eines richtigen Regisseurs gestaltete den gesamten Postproduktionsprozess sehr schwierig.
- Schauspieler und Sprecher Boris Aljinovic war zwar von Anfang an im Projekt invovleirt und wurde nach Siepermanns Tod als Zweitregisseur genannt, Jan hatte aber so gut wie nichts mit ihm zu tun, Boris Nennung als Regisseur war lediglich eine PR-Trick.
27.11.2013
Neuer Kinostarttermin wird angekündigt. 25.09.2014. Neun Monate nach dem ursprünglichen Datum.
05.12.2013
Persönliches Gespräch zwischen uns und dem Produzenten des Films Douglas Welbat in Berlin:
- Douglas Welbat arbeitete insgesamt sieben Jahre an dem Film, insbesondere wegen Finanzierungsschwierigkeiten zog sich die Planung in die Länge
- Douglas Welbat und Harald Siepermann haben von 2010 bis 2012 zusammen den Film entwickelt. Die Produktion begann im März 2012, im Juni wurde während einer Routineuntersuchung bei Siepermann alarmierende Werte festgestellt. Kurz darauf wurde eine Chemotherapie begonnen. Die Therapie wurde jede zweite Woche durchgeführt, in diesem Zeitraum war Siepermann bestenfalls an zwei Tagen ansprechbar. Welbat fuhr regelmäßig zu ihm, hielt ihn auf dem aktuellsten Stand, besprach mit ihm die weiteren Schritte etc. Bis zum Tod von Siepermann fungierte Welbat auf diese Weise als Schnittstelle zwischen Regisseur und Produktion.
- Trotz der Ernsthaftigkeit der Krankheit waren alle überzeugt, dass Siepermann überlebt. Sein Tod hatte letztendlich weniger mit der Kinostartverschiebung des Films zu tun als die generellen Produktionsbedingungen unter den verschiedenen Studios, die sich bereits zu seinen Lebzeiten als schwierig erwiesen.
- Boris Aljinovic war in die Vorproduktion involviert und war während einer frühen Drehbuchversion als Regisseur vorgesehen. Aber er stand nach dem Tod von Siepermann aber nicht mehr zur Verfügung und war bereits vorher nicht mehr wirklich in den Gestaltungsprozess involviert, was auch erklärt, warum Jan Stolz kaum etwas mit ihm zu tun hatte.
- In einer frühen Drehbuchfassung reisten die Zwerge durch die Zeit, was dazu führte, das 21 Zwerge (die 7 Zwerge aus drei verschiedenen Zeiten) im Film auftauchten, was bereits in der Buchfassung kompliziert wurde. Die Macher erkannten, dass dies nicht die optimalsten Voraussetzungen für einen Kinderfilm sind. An diesem Punkt stand das Projekt auf der Kippe. Harald Siepermann war bei einer Besprechungen dabei, wo entschieden wurde, dass der Film mit dem damaligen Drehbuch nicht gemacht werden sollte. Er stand auf und pitchte quasi aus dem Stehgreif eine Version der Geschichte, die es letztendlich in den Film schaffen sollte. Ohne Zeitreisen und ohne komplizierte Wendungen, sondern eine geradlinige, auf das Wesentliche fokussierte Geschichte. Zu diesem Zeitpunkt war Boris Aljinovic noch der Regisseur, was sich aber dann nach und nach auf Siepermann verlagerte. Auch weil Aljinovic durch seine Verpflichtungen als Tatort- und Theaterschauspieler zusehends in Zeitnot kam.
- In einer frühen Version fehlte Schneewittchen komplett, was laut Welbat auch nicht im Sinne eines 7 Zwerges gewesen wäre.
- Sie begannen mit dem Modeling als das Drehbuch noch umgeschrieben wurde. Animationsproduzent Gerd Hahn riet davon ab, aber Douglas Welbat und Harald Siepermann waren zuversichtlich, dass es klappen kann. Lediglich das Budget litt unter dieser Arbeitsweise gemäß Welbat.
- Der Grund, warum nach dem Tod von Harald Siepermann die Regiefrage solange hinausgezögert wurde, lag auch an rechtlichen Umständen.
- Der typische Otto Humor wurde bewusst gedrosselt, da sich dieser häufig auf Themen bezieht, die nur im deutschsprachigen Raum bekannt sind. Da der Film aber international vermarkten werden sollte und deswegen auch in englisch produziert wurde, musste Ottos unverkennbarer Humor etwas in den Hintergrund treten.
- Der zweite Teaser (eigentlich ein Filmclip), der a 30.09.2013 auf YouTube veröffentlicht wurde, war eigentlich nur für eine Tradeshow in Dresden gedacht wo potentielle Interessenten das Video auf iPads sehen konnten. Darum wurde auch der Renderfehler in Kauf genommen, der im finalen Film natürlich bereinigt wird. Eine Veröffentlichung des Clips war nie geplant und passierte aufgrund eines Praktikantenfehlers.
- Kommentar am Rande: Douglas Welbat ist nicht nur Produzent und Geschäftsführer der Zipfelmützenfilm GmbH, sondern auch Schauspieler und Synchronsprecher. Zum Beispiel ist er der aktuelle Sprecher des Krümelmonsters (nach dem sein Vater Alexander Welbat 30 Jahre lang dem Monster seine Stimme lieh). Der Erzähler im Langtrailer von “Der 7bte Zwerg” sprach er ebenfalls selbst.
30. Januar 2014
Das wäre der ursprüngliche Kinostart vor der Verschiebung gewesen.
04.04.2014
Einladung von ANIch nach Hamburg um eine erste, fertiggestellte Musicalszene zu sichten. Vor allem die Animationen und das Rendering überzeugen.
27.06.2014
Auf Einladung des Produzenten dürfen wir in Berlin dem aller ersten Screening des fertiggestellten Films beiwohnen, wo auch die Filmemacher und einige der Schauspieler den Film zum ersten Mal sehen.
23.09.2014
Unsere Filmkritik “Der 7bte Zwerg – Gnade mit einem animierten Wicht” beweist: Die Filmemacher hielten größtenteils ihr Versprechen und lieferten einen soliden Film ab.
25.09.2014
Nach vier Jahren Produktion: Kinostart von “Der 7bte Zwerg”