Keinohrhase & Zweiohrküken basiert auf dem beliebten Kinderbuch, das Til Schweiger zusammen mit Kinderbuchautor Klaus Baumgart („Lauras Stern“) schrieb. Ein Kinderbuch, das Kinder und Erwachsene einstimmig als eine schöne, lustige, lehrreiche und durch und durch niedliche Geschichte beschreiben. Diese handelt von dem Keinohrhasen, der alles genauso gut kann wie die anderen Hasen. Aber weil er keine Ohren hat, will niemand mit ihm spielen. Als eines Tages ein Ei vor seiner Tür liegt, ahnt er noch nicht, dass das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft ist. Mit dem Zweiohrküken erlebt er viele spannende Abenteuer, bis hin zur Erfüllung ihrer größten Wünsche.
„Was zeichnet ein guter Kinderfilm aus? Genau, dass nämlich auch die Erwachsenen auf ihre Kosten kommen.“ So sprach die deutsche Filmakademie im letzten Jahr über das wunderbare, mit dem deutschen Kurzfilmpreis prämierte Werk Die Prinzessin und der Drache, das für das ZDF produziert wurde und sich im Speziellen an die jüngsten Animationsfans richtete, mit verschmitzten Dialogen, Originalität, Sympathie, Subtext und geschliffenem Timing aber auch ältere Semester entzückt hatte. Im Kurzfilmmilieu beweist Deutschland regelmäßig, zu was man hierzulande im Stande wäre, im Gegensatz zum Kinofilmsegment, wo man von verschmitzten Dialogen, Originalität, Sympathie, Subtext und geschliffenem Timing nur Träumen kann. Til Schweigers Keinohrhase & Zweiohrküken bildet da leider keine Ausnahme.
Auch wenn mit der Rothkirch Cartoon Gmbh (Lauras Stern, Der kleine Eisbär) und der Animationsfabrik Hamburg/Köln dem Projekt erfahrene Animationsstudios zur Seite standen, vermochte weder Schweiger noch seine Co-Regisseurin Maya Gräfin Rothkirch (die mit diesem Film ebenfalls ihr Kinodebüt abliefert…ein Schelm der böses denkt) aus der simplen aber schönen Vorlage mehr zu machen als eine streng biedere, stereotype Aneinanderreihung von Animationsklischees. Universelle Themen wie Freundschaft, Anderssein oder Selbstüberwindung werden ambitionslos abgearbeitet. Die kurzen und treffenden Kinderbuchillustrationen, die mit Fantasie und der Kraft der Elternstimme im Kinderzimmer zum Leben erwachen, entpuppen sich im Film als überlange und ungetimte Szenengeschwulst. Sollte der Film in einigen, wenigen Momenten doch eine gewisse Herzlichkeit entwickeln, wird diese von der unfreiwillig komischen und fremdkörperartigen Synchronisation unmittelbar wieder zu Boden gerungen. Da half auch die drehbuchtechnische Beratung des deutschen Animationsgurus Rolf Giesen nicht mehr viel.
Das ganz junge Publikum mag sich an der Farbigkeit und dem Flauschfaktor satt sehen können – an plüschig simuliertem Tierfell fehlt es wahrlich nicht – jedoch wirkt dieses wie der gesamte Film beim genauen Hinsehen mehr wie eine stachlige Drahtbürste als ein weiches Hasenfell. Hastige, ausdruckslose und regelrecht hölzern wirkende Animationen erzeugen zudem das Gefühl, als wären ausgestopfte Tierpräparate per Stop-Motion animiert worden, von unterbezahlten Animatoren mit zu vielen Shots mit zu wenig Zeit. Also nichts neues im Staate Deutschland. Nun wissen wir auch, warum die im Juli veröffentlichten Szenenbilder so fürchterlich retuschiert, künstlich und leblos wirkten. Denn am gleichen Problem krankt der gesamte Film. Kein Blatt und kein Grashalm weht im Wind, keine Fliege surrt durch das Bild, keine Wolke zieht ihre Bahnen. Die Hintergründe verkommen zu sterilen Stillleben an einer kargen Wohnzimmerwand. Kurzum, dem Film fehlt fast jegliche Sekundäranimation. Ein trauriger Anblick. Selbst die Hauptfiguren wirken in manchen Szenen unnatürlich ins Bild integriert. Stoßen sich vom Hintergrund ab, als wären sie mit völlig unterschiedlichen Settings beleuchtet und gerendert worden. Alles nur Einbildung oder eine fehloptimierte Produktionspipeline?
Aber technische Faktoren wären schnell verziehen, wenn das Erlebnis stimmt. Wenn Kinderaugen zum Leuchten gebracht und Erwachsene nicht für dumm verkauft werden. Wenn sogar alte Geschichten in neuem Gewand wieder die Fantasie der kleinen Kinofans beflügeln. Wenn neue, noch nie gesehene Welten und Figuren zum Leben erweckt werden. Das alles und noch mehr wünscht man sich als Zuschauer und genau das enthält einem Keinohrhase & Zweiohrküken vor. Denn wie der Film beim Publikum ankommt, scheint zweitrangig zu sein, schließlich gehört er längst zu den Gewinnern des Jahres. Neben der Nominierung für den Animationsdrehbuchpreis 2013 wurde er von der eigenen Filmindustrie mit dem FBW-Prädikat „wertvoll“ ausgezeichnet, was neben allerlei Presse auch diverse finanzielle Vergütungen mit sich bringt. Die Verlierer sitzen im Publikum, nämlich die Kinder und Eltern, die sich ein fantasievolles, witziges und leidenschaftliches Filmerlebnis erhofften, stattdessen aber dieses lustlose und konservative Stück Animationsfilm vorgesetzt bekamen.
4/10