Wie bringt man 14 Milliarden Jahre Weltgeschichte in ein Buch? Diese Frage hat sich der Berliner Zeichner Jens Harder gestellt und beantwortet: Indem man auf 350 Seiten den Beginn unseres Universums mit dem Urknall, die Entstehung des Planeten Erde und die Evolution der Pflanzen- und Tierwelt in großartigen und detailreichen Bildern umsetzt. Mit Texten geht er sparsam um, nur an wenigen Stellen finden sich kurze Passagen. Dafür fädelt er auf diesen historischen Faden geschickt Darstellungen aus allerlei Schöpfungsmythen und verquickt so fast unmerklich Naturwissenschaft und menschliche Vorstellungswelt. Am Ende des Buches steht der Mensch und ein völlig hingerissener Leser, der gerade eben die Entstehung von allem nachvollziehen durfte! (©Carlsen)
Jens Harder hat 2010 beim wichtigsten Comicfestival Europas in Angoulême für sein Mammutwerk Alpha…directions den “Prix de l’Audace” erhalten. Fünf Jahre hat er daran gezeichnet und verblüfft mit der schier unglaublichen Kombination von recherchierter Naturgeschichte mit Geistes- und Kunstgeschichte. Hier spriesst Natur neben Stillleben. Hier kämpft Jurassic Parks T-Rex vor Godzilla und King Kong, mal auch als militanter Manga-Charakter Gon. Hier schwimmen urzeitliche Tiefseemonster Bildrand an Bildrand mit dem Weissen Hai. Millionen Jahre alte Evolutionsgeschichte, verknüpft mit Populärkultur – ein tollkühner Zeitsprung sondergleichen, ohne dabei die Kausalität zu vergessen. Harder plant eine Trilogie, die er mit Beta…civilizations (über die Menschheitsgeschichte) und Gamma…visions (über die Zukunft unseres Planeten) beschliessen wird. (Neugierig geworden? Kaufen bei CeDe.ch oder Amazon.de).
Das französische Studio Atour de Minuit (Logorama) hat an Harders Werk einen Narren gefressen und will Alpha in animierter Form auf die Leinwand bringen. Nicht als dokumentarisch aufbereitete Nacherzählung des Comics mit narrativer Begleitung. Die Franzosen wollen die Kraft und Vision von Harders Werk bewahren und planen eine kunstvolle Umsetzung, bei der die Musik die Rolle des Erzählers übernimmt. Ein epischer, bildgewaltiger Animationsfilm, der in die Richtung von Koyaanisqatsi (1982) gehen wird.
Alpha soll etwa 12 Millionen Euro kosten, eine stolze Summe für einen Animationsfilm, der eher ein Nischenpublikum ansprechen wird, für die Visualisierung des ehrgeizigen Projekts aber unbedingt notwendig sei, sagt Produzent Nicolas Schmerkin, welcher bei potenziellen Geldgebern auf offene Ohren stösst, aber betreffend Vermarktung auch auf skeptische Blicke. Beim 80-minütigen Animationsfilm wird Edouard Salier die Regie übernehmen, der sich mit Kurzfilmen (Empire, 4, Flesh), Werbeclips und Musikvideos einen Namen gemacht hat. Warum Regisseur Salier der richtige Mann für das Projekt ist, zeigt dessen Musikvideo “Splitting the Atom” für Massive Attack, das zwar inhaltlich nichts mit Alpha zu tun hat, aber Saliers visionärer, Form und Struktur umspannender Blick auf komplexe Zusammenhänge zeigt. (Clip bei Vimeo.) Verwirklicht werden soll Alpha als computeranimierter 3D-Film, der mittels der Stereoskopie für die Produzenten ein Experiment, für die Zuschauer aber eine unglaubliche Erfahrung werden soll. Auch wenn das Projekt in absehbarer Zeit erfolgreich finanziert werden kann, ist nicht vor 2016 mit einer finalen Version zu rechnen.
Anbei findet ihr Bilder aus dem von ADM produzierten Pilotfilm, die einen ersten Eindruck zur Umsetzung des Comics vermitteln.