Wir schreiben das Jahr 1991. Das ehemalige Jugoslawien befindet sich mitten im Krieg. In der Schlacht um Vukovar leistet die kroatische Nationalgarde, Polizisten und Freiwillige heftigen Widerstand gegen serbische Truppen. Pausenloses Artilleriefeuer, zurückgehaltene Hilfskonvois und fehlender Nachschub, zwingt die Belagerten sich immer weiter zurückzuziehen. Vukovar wird eingenommen.
Die damals zehnjährige Anja Kofmel bekommt den Krieg nur am Rande mit, aber ihr Cousin Christian Würtenberg ist im Kriegsgebiet als Journalist unterwegs. 1992 bekommt ihre Familie die Nachricht, dass die Leiche des 27-jährigen gefunden wurde. Sie steckte in der Uniform einer internationalen Söldnertruppe. Offiziell heisst es, der Schweizer sei von serbischen Heckenschützen ermordet worden. Eine Obduktion lässt hingegen vermuten, dass er erwürgt wurde, womöglich von seiner eigenen Einheit.
Warum kämpfte ihr Cousin an der Front? Warum wurde er umgebracht? Wer war ihr Cousin überhaupt? Anja Kofmel erzählt am Fantoche 2013 ihre Geschichte emotional. Man spürt, dass ihr diese Fragen keine Ruhe lassen. Ihre kindliche Perspektive auf ihren Cousin und die damalige Hiobsbotschaft hat sie 2009 zu ihrer Diplomarbeit gemacht und in ihrem Kurzfilm “Chrigi” verarbeitet:
Bei den Schweizer Behörden und den Medien sorgte der Tod kaum für Aufsehen – international hingegen schon: “Fernsehstationen in England, Spanien und Frankreich berichten davon. Seit Wochen kursieren Gerüchte über die schmutzigen Geschäfte der Söldner und ihre finanzielle Unterstützung durch die katholischen Organisation Opus Dei. Hat sich Würtenberg bei der Söldnerbrigade eingeschlichen, um undercover recherchieren zu können? Alles deutet darauf hin, dass der Maulwurf entdeckt und von der Brigade eliminiert wurde…”
Kofmel geht nun selbst auf die Suche. Sie reist nach Kroatien, studiert Tagebucheinträge und recherchiert Zeitungsartikel. In Interviews kommen Mutter, Bruder und Söldner zu Wort. Kombiniert mit Archivmaterial wird dies aber nur ein Teil des dokumentarischen Films sein. Kofmel lässt mittels Animation ihren Vorstellungen und ihrer Fantasie freien Lauf. “Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst”, zitiert sie. Es gibt viele Gerüchte, viele Vermutungen. Die Seiten von Chris’ letzten Tagebüchern sind herausgerissen. Ob sie die Wahrheit finden wird…?
Chris the Swiss ist nicht nur eine ganz persönliche Geschichte. Der AniDoc-Film greift auch das brisante Söldnerthema der Schweiz auf und ist angesichts der Kriege in Syrien und Lybien auch nicht überholt, dient vielmehr als ein exemplarisches Fallbeispiel.
Die Finanzierung ist wie immer eine schwierige Angelegenheit. Produzent Samir von Dschoint Ventschr Filmproduktion AG sieht den ambitionierten Dokumentarfilm aber auf einem guten Weg, trotz der verhältnismässig hohen Kosten von 2.6 Millionen Franken. Die Finanzierung läuft zusammen mit Kroatien und der Schweiz. Zürich ist eingestiegen, momentan liegt der Ball noch in Bern. Man hofft im Januar 2014 mit der Produktion beginnen zu können und den 80-minütigen Film dann 2016 fertig zu haben.
Ein erster Teaser wurde in drei Monaten von Kofmel und dem Bonobo Studio (Kroatien) in einem kleinen Team verwirklicht. In dieser Zeit wurden auch die Charaktere definiert und ausgearbeitet. Die animierten Teile des Films werden handgezeichnet als klassischer (digitaler) Zeichentrickfilm gemacht. Die Regie übernimmt die Protagonistin Anja Kofmel selbst.
Ein wirklich sehr vielversprechendes, spannendes Projekt, das nach seiner Fertigstellung für ein grosses Echo sorgen wird!
Beitrag der Schweizer Tagesschau vom 2. September 2013: