Jets – Helden der Lüfte Filmkritik: Wir hatten vor einer Woche eine Warnung an alle Eltern ausgesprochen, weil alle Indizien darauf hindeuteten, dass Jets – Helden der Lüfte (Ot Vinta) nicht bloß ein zweifelhaftes Filmerlebnis sein könnte, sondern noch dazu ein billiger Versuch, zwei Monate bevor Disneys Planes in die deutschen Kinos kommt, arglose Familien über den Tisch zu ziehen. Nun haben wir uns den Film, der diesen Donnerstag in die deutschen Kinos kommen wird, in seiner ganzen Pracht angesehen und müssen unseren Fehler eingestehen: Der Film ist nicht so schlecht wie angenommen – er ist noch schlechter!
Vorweg: Was erwarten wir eigentlich von einem kindgerechten Animationsfilm? Natürlich variieren die Vorstellungen je nach persönlichem Geschmack und Alter der Kinder, aber ich schätze wir können uns auf eine Grunddefinition einigen, die Pixar-Chef John Lasseter einmal wie folgt ausdrückte: “Um einen wirklich unterhaltsamen Film zu drehen, den die Leute so schnell nicht vergessen werden, braucht man eine aussergewöhnliche, gute Geschichte voller Emotionen und Humor sowie liebenswürdige, wahrhaftige Charaktere, die in einer glaubwürdigen Welt leben. Das Publikum will Dinge sehen, die es nie zuvor gesehen hat.” Mit diesem Bild eines gelungenen Films vor Augen blicken wir nun auf Jets.
Wir lassen die Tatsache aussen vor, dass es sich bei Jets – Helden der Lüfte um einen Trittbrettfahrer im Windschatten eines Disneyfilms handelt und betrachten nur den Film an sich, um ihm zumindest die Chance zu geben, zu überraschen. Schließlich ist an einem Film über sprechende Fahr- und Flugzeuge mit Kulleraugen auch fernab von Disney grundsätzlich nichts auszusetzen – ausser er ist so schlecht umgesetzt wie dieser: Jets und dem verantwortlichen Studio Touch FX Animation aus Armenien fehlen jegliche narrativen und pädagogischen Kenntnisse. Der Zuschauer wird bereits im Prolog mit Szenen konfrontiert, deren Inszenierung nicht zu folgen ist und deren Bedeutung man erst später aus dem Kontext heraus deuten kann. Mit jeder verstreichenden Minute werden die Schwächen des Films deutlicher. Die Figuren reden ohne Unterlass ohne aber wirklich etwas zu sagen – frei von Relevanz oder Motivation. Die goldene Regel des Filmemachens, das Dinge gezeigt und nicht erklärt werden sollten, wird konsequent missachtet oder ist schlicht nicht bekannt. Der Humor beschränkt sich auf peinliche Slapstickeinlagen eines noch peinlicher animierten Vogels. Hier zeigen sich insbesondere die künstlerischen Grenzen der Macher (oder der IMMENSE Zeitdruck, dem sie ausgesetzt waren), denn zwischen echter, organischer Characteranimation – die zum Beispiel eine Merida lebendig werden ließ – und dem Herumschieben von Flugzeugen mit Augen in der X, Y und Z liegen Welten. Die Jets fliegen nicht, sie bewegen sich als würden sie auf unsichtbaren Schienen durch die Lüfte gezogen. Selbst die Animationen des Ritter Rost-Films wirken im direkten Vergleich gerade zu lebendig und weich. Der gesamte Film fühlt sich an wie ein Werk von Erstsemesterstudenten, die noch nie von der Wichtigkeit eines Drehbuchs, geschweige eines Storyboards gehört haben. Sie stürzten sich lieber gleich auf die Computeranimationsprogramme, deren Handbücher sie zwar auswendig kennen, aber in kreativer Hinsicht nicht einzusetzen wissen. Figurenentwicklung, Dramaturgie, szenische Auflösung, oder ganz simple Faktoren wie Spaß und Gefühl sind für diesen Film Fremdwörter. Eine Identifikation mit den Figuren findet nicht statt, zu abstrakt ist die Aneinandereihung von Szenen und Dialogen, dafür wurde alles hübsch texturiert und ohne Rücksicht auf Verluste ausgeleuchtet.
Billige Mockbuster wie Jets werden jährlich in ganzen Schwärmen produziert. Ihr einziger Daseinszweck besteht darin, im Fahrwasser von großen Hollywoodproduktionen mitzuschwimmen und mitzuverdienen. In der Regel setzen sie auf die Arglosigkeit der Konsumenten, die im guten Glauben, den echten Film vor sich zu haben, zugreifen. Doch noch nie war ein Verleih so dreist und brachte einen solchen billig produzierten Film direkt in die Kinos – mit dem eindeutigen Ziel Familien in die Irre zu führen (sollten euch andere Kinofilme bekannt sein, dann schreibt es in die Kommentare). Spätestens nach Sichtung von Jets wird jeder Mutter, jedem Vater, Oma, Tante, Schwester bewusst sein, wie sehr sie von diesem Film getäuscht wurden während die Kleinen im Kino sitzen und nicht verstehen, warum der neue “Disneyfilm” so blöd war. Eine ganz bittere Pille, die der Splendid Filmverleih den deutschen Familien vorsetzt. Es soll aber scheinbar kein Einzelfall bleiben, das “Splendid Animation” Logo im deutschen Trailer deutet darauf hin, dass der Verleih noch größere Ambitionen in diese Richtung hegt.
Wenn die Leute von Pixar virtuose Pianisten sind, die mit Leidenschaft und Talent auf der Klaviatur des Films tanzen, dann sind die Macher von Jets Musikschüler in der ersten Stunde, die mit ihren Wurstfingern Tonleitern üben und sich bei jedem Anschlag vergreifen. Die von John Lasseter anfangs erwähnte Definition könnte nicht weiter von diesem Machwerk entfernt sein, das wie ein Negativabdruck der Worte “aussergewöhnlich, gut, wahrhaftig, unterhaltsam, liebenswürdig, glaubwürdig, Humor und Emotion” erscheint. Wäre der Film in den hintersten DVD- und Blu-Ray Regalen gelandet, wo er hingehört, hätte man Gnade vor Recht ergehen lassen können aber aus Protest, dass solche Rattenfängertaktiken nun auch im Kino angewandt werden, können wir nicht anders als die niedrigste aller Wertungen zu vergeben. Wir haben in Deutschland bereits genug mit eigenen Animationsfilmen zu kämpfen, die nicht unbedingt mit Qualität glänzen, da muss nicht noch die Ausschussware anderer in unsere Kinos importiert werden.
1/10
Jets – Helden der Lüfte wird kommenden Donnerstag (27.06.2013) in die deutschen Kinos kommen und auch sehr schnell wieder aus ihnen verschwinden, das zumindest ist sicher. Wenn ihr einen Familien-Kinoausflug planen solltet, gönnt euch lieber Pixars neuesten Film Die Monster Uni (FSK0, siehe unsere Kritik) oder Epic – Verborgenes Königreich von den Ice Age-Machern (FSK6, ebenfalls von uns besprochen), der noch in einzelnen Kinos zu finden ist. Oder wartet bis am 4. August Ich – Einfach unverbesserlich 2 (FSK0) startet, den wir in der nächsten Woche genauer besprechen werden.