Disney schließt Zeichentrickabteilung: “Disney plant für die kommenden Jahre keine handgezeichneten Animationsfilme” lautete die Schlagzeile vor einigen Wochen (wir berichteten). Nun stellte sich heraus, dass die Chefetage des Mäusekonzerns (inklusive John Lasseter) bereits vor längerer Zeit entschieden hatte, die Abteilung für handgezeichnete Animationsfilme Stück für Stück aufzulösen und damit verbunden massiv Stellen zu streichen.
150 Mitarbeiter werden in diesen Tagen bei den renommierten Disney Animation Studios entlassen, dem Studio, das seit Schneewittchen für alle großen Disney-Klassiker verantwortlich zeichnete. Das macht 9% der gesamten Studio-Belegschaft aus. Betroffen sind Angestellte der Home Entertainment-, Marketing- und Vetriebsabteilungen. Insbesondere trifft es aber auch die Artists der Filmproduktionsabteilung, die in Bereichen arbeiten, die durch “digitale Technologien ersetzt werden können“. Mit anderen Worten, Zeichner und 2D-Artists.
Besonders schwerwiegend erscheinen die Entlassungen von neun Animationsveteranen. Darunter Nik Ranieri (Lumiere, Kusco, Hades), Ruben Aquino (Ursula), Frans Vischer (Dr. Facilier), Russ Edmonds (Sarabi), Brian Ferguson (Timon, Meeko), Jamie Lopez und Dan Tanaka (Zazu). Alle zusammen Legenden und Rockstars der klassischen Animation, die bei allen großen Disneymeisterwerken aus den 80ern- und 90ern Jahren dabei waren. Nur zwei der großen Namen – Eric Goldberg (Dschinni, Phil, Louis, Rabbit) und Mark Henn (Mulan, Pocahontas, Jamine, junger Simba) – können bis auf weiteres für Disney tätig bleiben. Andere Artists befinden sich aktuell in Verhandlungen über Lohnkürzungen und/oder Übernahmen in andere Disneystudios, wie den DisneyToon Studios, wo weiterhin digital gezeichnete Projekte fürs Fernsehen und den Heimkinosektor umgesetzt werden.
Damit setzt sich die Abwärtsspirale der US-Animations- und VFX-Branche fort. Wir erinnern uns an die Entlassungen bei DreamWorks Animation, die vor zwei Monaten passierten. DreamWorks gab zwar das enttäuschende Abschneiden von Die Hüter des Lichts als Grund an, aber die Wahrheit, dass die Jobs längst in günstigere Schwellenlänger ausgelagert wurden und Katzenberg und sein Vorstand einen Vorwand brauchte, die heimischen Stellen zu streichen. Bei Disney wurde die Entscheidung das traditionsreiche Animationsstudio mehr oder weniger aufzulösen, bereits vor längerer Zeit getroffen. Als Gründe dafür werden der kriselnde DVD-Markt (die Verkäufe von Merida und Cinderella blieben weit hinter den Erwartungen) und auch das 50 Millionen teure, von Disney überraschend gestrichene Stop Motion-Projekt von Henry Selick genannt (wir berichteten). Was die handgezeichnete Sparte betrifft, hat Disney sich trotz des guten Einspielergebnisses von Küss den Frosch schlicht (erneut) gegen die eigene Tradition entschieden. Disney selbst argumentiert damit, von In-House Filmproduktionen weg kommen zu wollen und stattdessen verstärkt auf die aufgekauften Produktionsfirmen Pixar, Marvel und Lucasfilms zu setzen. (via)
Ein anonymer Mitarbeiter bei Disney bestätigt, dass bereits seit längere Zeit etwas im Argen lag. Bei Pitchings für neue Filme soll den Autoren gesagt worden sein, dass sich künftige Storykonzepte nicht auf handgezeichnete Filme festlegen sollten und dass sich John Lasseter zu dem Thema generell sehr verschlossen zeigte. Wie Pitchingprozesse bei Disney/Pixar aussehen, erfahrt ihr hier.
Der Weggang von Andreas Deja (Scar, Tigger) und Glen Keane (Arielle, Aladdin) im letzten Jahr – ehemals zwei der bekanntesten Animatoren bei Disney – waren somit Vorboten, dass hinter den Mauern des Konzerns die Weichen für eine Zukunft gestellt werden, die für handgezeichnete Animation keinen Platz mehr bereit hält.
Erst LucasArts, nun die eigenen Animationsabteilung. Was wir davon halten, könnt ihr euch denken. Disney schließt innerhalb weniger Wochen zwei traditionsreiche Kreativschmieden, die Millionen von Menschen maßgbeblich als Kind, Jugendliche und weit darüber hinaus prägten – anstatt sich die Mühe zu machen, die Probleme der beiden Unternehmen zu ergründen und zu lösen. Ein Trauerspiel…
Leb wohl Simba, Arielle, Susi, Belle, Oliver, Abu, Winnie, Bernhard, Dumbo, Schlafmütz, Hercules, Koda, Basil, Lilo, Cusco, Strolch, Bambi, Aschenputtel, Sebastian, Dschinni, Thomas O’Malley, Aladdin und ihr alle, die uns die letzten 76 Jahre, seit Erscheinen von Schneewittchen und die Sieben Zwerge begleiteten, zum Lachen und zum Weinen brachten.
(Quellen: CartoonBrew, AF)