Man ahnte es irgendwie. Seit dem wundervollen aber leider kommerziell vollkommen untergegangenen Winnie Puuh (Winnie the Pooh), der Anfang 2011 in die Kinos kam, wurde es ruhig um Disneys Zeichentricksparte. Zu ruhig. Sowohl Rapunzel (Tangled) als auch Frozen entpuppten sich nach anfänglichen Gerüchten als CG-Produktionen. Nun machte der Walt Disney CEO Bob Iger aus der dunklen Befürchtung eine finstere Gewissheit: Der Zeichentrickfilm der Marke Disney ist (schon wieder) tot – vorerst. Verpackt wurde diese Nachricht natürlich weniger dramatisch mit den Worten, dass “im Moment keines der eigenen Animationsstudios an handgezeichneten Kinoprojekten arbeiten oder Pläne für solche hegen würde”. Gemeint sind damit neben der traditionsreichen Walt Disney Animations Studios (von Schneewittchen bis Winnie Puuh) auch Pixar und DisneyToon Studios (Duck Tales: Der Film, alle Direct-To-Video-Fortsetzungen, Planes). Davon ausgenommen sind die zahlreichen TV-Formate wie Phineas and Ferb, die bei Disney Television Animation produziert werden.
Kommentar am Rande: Da der Phineas and Ferb Kinofilm, der für 2014 angesetzt ist, von den DisneyToon Studios produziert wird, sollten sich die Fans wohl auf einen computeranimierten Film einstellen.
Heißt das nun, der Disneykonzern verabschiedet sich ein weiteres mal vom Zeichentrickmedium und trägt diese traditionsreiche Animationskunst erneut zu Grabe, wie er es bereits 2004 nach dem geflopptem Die Kühe sind los (Home on the Range) getan hat? So düster sollte man es wohl nicht sehen, aber der Ausstieg von Andreas Deja kurz nach Fertigstellung von Winnie Puuh und Glen Keane im letzten Jahr (wir berichteten) dazu die obige Bekanntmachung, dass es die nächsten 3-4 Jahre keine Zeichentrickfilme von Disney geben wird, sind sicherlich kein Zufall. Auch wenn Küss den Frosch (Princess and the Frog, 2009) – Disneys erster handgezeichneter Animationsfilm nach der Studioauflösung 2004 – weltweit über 260 Millionen Dollar einspielte, so kam er im relevanten US-Markt nur auf knapp 105 Mio., was den Produktionskosten des Films entsprach. Exklusiv Marketing- und Vertriebskosten. Winnie Puuh (2011) kam weltweit auf keine 35 Millionen Dollar.
Wenig überraschend also, dass das Studio sich davor scheut, die Bleistifte für neue Produktionen anzuspitzen. Die Gründe können mit unter in den neuen Sehgewohnheiten liegen (die Übersättigung des Marktes durch 3D-CG-Firlefanz macht sich nicht nur in den sinkenden Einnahmen bemerkbar), aber so einfach ist die Rechnung dann wohl doch nicht. Winnie Puuh war schlicht ein Nischenprodukt für Fans des Honigbären der ältesten und jüngsten Stunde. Alle Zielgruppen dazwischen (ältere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene) durften herzlich wenig mit dem zuckersüßen Abenteuer anzufangen gewusst haben. Mit Küss den Frosch dagegen verstand es Disney erstmals, alte Traditionen mit einer frischen Art des Storytellings zu vermischen. Mit Erfolg. Nur zeigte Rapunzel ein Jahr später mit einem ähnlichem Konzept aber modernsten Rendertechniken, dass es noch erfolgreicher geht. 590 Millionen Dollar weltweit sprechen für sich und lassen die 260 “Milliönchen” der Froschprinzessin alt aussehen.
Dass sich der handgezeichnete Animationsfilm zusehends schwerer tut seit dem sich der CG-Film durchgesetzt hat, ist kein Geheimnis. Oft wurde er tot gesagt und ebenso oft kam er zurück. Auch dieses Mal wird es nur eine temporäre Entwicklung bleiben. Ähnlich wie beim Stop Motion Film findet seit längerem eine Verlagerung statt. Althergebrachte Animationstechniken werden zusehends für erwachsenere Stoffe benutzt und der CG-Film verkommt zur Mainstreammassenware. Aber der CG-Boom hat ohnehin längst sein Verfallsdatum überschritten. Die Rückbesinnung auf traditionelle Tugenden dürfte schneller eintreten als man denkt. Bis dahin freut man sich eben auf handgezeichnete Produktionen aus Europa (zb. Song of the Sea) und Asien (zb. From Up on Poppy Hill).
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