Wir von ANIch rühmen uns ganz gerne damit, das gesamte Spektrum, alle Formen und Farben, Größen und Arten der Animation zu berücksichtigen. Zwar mit klaren Schwerpunkten, aber stets mit einem interessierten Blick für die vielen, kleinen Nischen. Beispielsweise mit folgendem Artikel, der uns in die Welt des Puppentheaters und der Marionetten führt. Jetzt könnte man sich denken “Marionetten? Was gibt es dazu noch zu sagen, was zu Zeiten der Augsburger Puppenkiste nicht schon gesagt wurde?” Darauf gibt es eine klare Antwort: “Puppentheaterkino für Kleinkinder in optimiertem, kindgerechtem 3D” – Neugierig geworden?
Überlassen wir den Produzenten selbst die Einführung:
“Ab Februar 2013 bringt die Puppenschau (einem Unternehmen, das sich auf die Umsetzung von Puppentheaterstücken für das Kino spezialisierte) ausgezeichnete Puppentheaterstücke aus ganz Deutschland für die allerjüngsten Zuschauer auf die große Leinwand. Das Besondere: Erstmals wird mit einer speziell auf Kinderaugen abgestimmten 3D-Technik auf die besonderen Bedürfnisse der jungen Zielgruppe eingegangen. Wunderbar ruhige Bilder und herausragende Stücke laden auch kleine Kinder dazu ein, sich angstfrei in den 3D-Räumen umzusehen, und den uralten Zauber des Puppentheaters im Kino neu zu entdecken.
Der erste Film der Reihe zeigt das bekannte Märchen nach Wilhelm Hauff Kalif Storch in einer Inszenierung des 100 jährigen Marionettentheaters Bad Tölz aus München. Grundlage des Stückes ist die Theaterfassung des Märchens von Elga Blumhoff- Schadt des Münchner Marionettentheaters, die den liebenswerten Orientalismus des Hauffschen Märchens mit einer bodenständigen Kasperl- und Pepperl-Geschichte verbindet.”
Über den Film und seine Story
Kalif Storch wurde mit über 40 Jahren alten Puppen gedreht – auf Basis ähnlich alter Tonbandaufnahmen, die für den Film aufwändig digitalisiert wurden. Man könnte also sagen, die ultimative Symbiose aus traditioneller Puppenanimation und den neuesten Aufnahmetechniken. Man muss kein Fan von Puppentheater oder Marionetten sein, um die Faszination dieses Experiments zu begreifen.
Zum Inhalt: Weil der Pepperl eine Klassenarbeit verhauen hat, muss er den Dachboden des Großvaters aufräumen. Dort finden er und Kasperl in einer Kiste ein altes Buch mit Zaubersprüchen. Als sie zum Spaß einen der Sprüche aufsagen, beginnt der Teppich doch tatsächlich zu fliegen und befördert die Beiden mitten hinein in das Märchen vom Kalifen und seinem Großwesir, die von einem bösen Zauberer in Störche verwandelt werden.
Der Film dauert 63 Minuten und richtet sich an Kinder ab 3 Jahren. In die deutschen Kinos wird er am 28. Februar 2013 kommen. Den Trailer zum Film findet ihr am Ende des Artikels.
Regie: Albert Maly-Motta & Paul Stutenbäumer
Produktion: Marco Del Bianco, Paul Stutenbäumer
Puppenspieler: Albert Maly-Motta, Karl-Heinz Bille, Elke Bille, Florian Markel u.a.
Kindgerechtes 3D – Was bedeutet das?
Speziell für die Filme der Puppenschau haben Regisseur Paul Stutenbäumer und Produzent Marco Del Bianco das 3D-Verfahren an die Bedürfnisse der jüngsten Zuschauer angepasst. Dabei berücksichtigen die stereoskopischen Aufnahmen beispielsweise den kleineren Augenabstand von Kindern. Erstmals sollen Kleinkinder auf diese Weise 3D stressfrei wahrnehmen können. Aber auch ein Absetzen der 3D-Brille soll ohne Weiteres möglich sein, da die Konvergenz der Bilder immer auf der jeweils handelnden Person liegt. So wird gewährleistet, dass die wichtigsten Bildelemente stets scharf bleiben, auch wenn ein Kind seine Brille abnehmen sollte.
Darüber hinaus soll die geringere mediale Vorbildung von Kindern für die Entwicklung des „kindgerechten 3D“ eine entscheidende Rolle spielen. Die Filmemacher verzichten vollständig auf die auch in 3D-Filmen für Kinder üblichen rasanten Action- und 3D-Effekte. Stattdessen arbeiten sie für ihre Märchenfilme mit ruhigen Aufnahmen und extrem wenigen Schnitten, was auch sehr kleinen Kindern ermöglichen soll, den kindgerechten Geschichten zu folgen ohne visuell überfordert zu werden. Gerade in den langen, ruhigen Einstellungen soll dabei ein Aspekt des 3D-Kinos zutage kommen, der bislang noch wenig Beachtung gefunden hätte. Die Filmemacher begründen dies damit, dass das Filmbild zum dreidimensionalen Bühnenraum wird, in dem sich der Betrachter in seinem eigenen Rhythmus umsehen und Entdeckungen machen kann. Also ganz im Sinne eines echten Puppentheaters.
Über die Dreharbeiten
Kalif Storch wurde an zwei freien Theaterspielwochen im April 2012 gedreht. Vor Drehbeginn hatten die Verantwortlichen im Herbst 2011 bereits Testaufnahmen mit den Spielern im tölzer Marionettentheater unternommen. Sie wollten das Spiel, die Figuren, die Kostüme und das Szenenbild zuerst testen, um etwaige Verbesserungen für die 3D-Auflösung der Geschichte vornehmen zu können.
Zuvor mussten aber die alten Tonbänder aus dem Jahr 1969 digitalisiert werden, denn Kalif Storch wird seit Generationen zu der Playbackfassung des Münchner Marionettentheaters von 1969 gespielt, die damals unter der Leitung von Franz-Leonard Schadt entstand. Von mehreren Bändern wurde das Playback nachgeschnitten und später in der Sound-Postproduktion kinogerecht bearbeitet.
Die Idee stammt größtenteils von den Kindern des Regisseurs und Kameramanns Paul Stutenbäumer, die damals vier und sechs waren. Bei einem Besuch im Puppentheater vor etwa vier Jahren meinten diese zu ihrem Vater, dass er die Puppen mal in 3D aufnehmen müsse – und das zu einer Zeit, als es noch kein Avatar gab.
Für die Puppenspieler bedeutete die cineastische Konvertierung, dass sie die großen, theatralischen Bewegungen, mit denen sie normalerweise ihren Puppen Leben einhauchen, reduzieren mussten. Normalerweise spielen sie für die sechste Reihe eines Puppentheaters. Da die Kamera jedoch nur 25 Zentimeter von den Puppen entfernt steht, mussten sie entsprechend sanfter bei ihrem Schauspiel vorgehen, wie Puppenspieler Karl-Heinz Bille des Münchner Marionettentheaters bestätigt.
Paul Stutenbäumer erklärt weiter, dass es eine Umgewöhnung war, mit den modernen, wuchtigen 3D-Kameras zu drehen, die eigentlich für wesentlich größere Maßstäbe konzipiert sind. Das erforderte intensives Experimentieren im Vorfeld der Dreharbeiten um Mittel und Wege zu finden, wie mit solch großen und schweren Kameras an die 40-60 Zentimeter kleinen Puppen heran gefahren werden konnte.
Für die 3D-Puppenfilme der Puppenschau wären theoretisch keine speziellen 3D-Kameras und auch keine besonderen Rigs nötig, so Stutenbäumer. Trotzdem hätten sie alles neu gebaut, weil sie mit den Kameras an sehr kleine Motive heran mussten. Die Präzision, die sie bei Kameras und Rig benötigten, ist ungefähr sechsmal größer als für 3D-Filme, die in herkömmlichen Größenverhältnissen gedreht werden. Deshalb hätten sie einen Großteil der Drehknöpfe mit Getrieben unterlegt, damit sie die Kameras etwa zehn bis zwölfmal präziser einstellen konnten.
Die Kinozukunft der Puppenschau
Bislang wurden neben Kalif Storch des Marionettentheaters Bad Tölz zwei weitere Puppentheaterstücke auf dieselbe Weise aber mit anderen Theaterhäusern als Film umgesetzt. Siebenschön vom Figurentheater “Die roten Finger“ wurde bereits im April 2011 gedreht und bedient sich im Gegensatz zu den Marionetten von Kalif Storch der Stabpuppentechnik. Dieser Film befindet sich noch in Postproduktion – in großer Erwartung wie Kalif Storch beim Publikum ankommen wird. Denn dieser dürfte entscheidend sein, ob und wie mit den anderen Filmen der Puppenschau-Reihe verfahren wird. Die dritte Filmumsetzung bildet Der U(h)rwald tickt nicht richtig von dem Eckerken-Theater Salzhausen, die Handpuppen in den Mittelpunkt stellt. Gedreht wurde der Film im Oktober 2012 und befindet sich ebenfalls in der Nachbearbeitung.
Über den Sinn und Zweck
Es stellt sich natürlich die Frage, wie sinnvoll eine solche cineastische Nachahmung von Puppenspielaufführung ist oder ob man als Eltern nicht lieber eine echte Theateraufführung besuchen sollte (was auch die Filmemacher mit Sicherheit bejaen würden). Denn trotz der aufwändigen und gut gemeinten Vorsätze, bleibt auch dem besten und optimiertesten 3D-Erlebnis eine große Stärke echter Aufführungen vorenthalten: Die Interaktion der Puppenspieler mit den Zuschauern, was besonders den pädagogischen Wert immens steigert. Die Frage, ob Kleinkinder bereits mit 3D-Kino in Berührung kommen sollten, ist nochmals ein ganz anderes Thema.
Dem gegenüber steht die unsichere Zukunft des traditionellen Puppenspiels. Wie die Macher selbst zugeben, werden sie auch von einem archivarischen Gedanke geleitet. Paul Stutenbäumer dazu: ” Wir wissen nicht, wie lange sich das Puppenspiel gegenüber der heutigen Konkurrenz in der Medienwelt behaupten kann. Zum Beispiel gab es in der DDR ein sehr starkes Puppenspiel, das nach der Wende zum großen Teil verloren gegangen ist. Und auch die Puppentheater in den westdeutschen Städten haben es sehr schwer, allein dadurch, dass die Puppentheater häufig in den Stadtzentren liegen.”
Auch wenn das Puppenspiel als Kunstform in absehbarer Zeit nicht aussterben wird, so scheinen die Ängste nicht unbegründet. Man sollte diese Filme als Ergänzung zu den herkömmlichen Puppentheatern betrachten und nicht als Ersatz für diese traditionsreiche Form der Animation. Puppen faszinieren Kinder bis heute und es liegt nicht zuletzt in den Händen der Eltern, ob auch in Zukunft Platz für Puppen sein wird. Die Puppenschau leistet ihren Beitrag, um diese zwar antiquierte, konservatorische aber nicht minder liebenswerte Kunstform auf moderne Weise wieder ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.
(Quellen: Puppenschau, Bayerisches Fernsehen)