Dienstag: Der erste Tag der FMX stand – neben den üblichen Begrüßungszeremonien und dem allgemeinen Akkreditierungsdurcheinander – ganz im Zeichen von Pixars Kurzfilm La Luna. Doch zunächst begann der Festivaltag zeitig um 9.30 Uhr mit Aardmans “The Making of Arthur Christmas from Bristol to L.A.“. Hierbei wurde auf den Entwicklungsprozess der Charaktere und insbesondere auf die Szenen eingegangen und die verschiedenen Stadien, die diese durchlaufen müssen. Von einer einfachen Storyboard-Sequenz über Blocking – wo nur Key-Posen gesetzt werden – dem Lighting bis hin zur final gerenderten Sequenz. Auch wurde auf die Beziehung zwischen den Aardman Studios und ihren neuen Partnern von Sony Pictures Animation eingegangen. Schließlich stellt Arthur Christmas die erste Zusammenarbeit der beiden Studios dar. Es verwundert nicht, dass Seamus Malone (Directing/Supervising Animator) nur lobende Worte fand, nachdem Dreamworks vor einigen Jahren die Zusammenarbeit mit Aardman relativ unschön kündigte. Die Präsentation war ein netter FMX-Einstand, auch wenn etwas bemüht, Aardman und das ganze Projekt in einem guten Licht dastehen zu lassen – was die britische Kultschmiede ohnehin nicht nötig hätte. Generell ein Problem diverser Konferenzauftritte, nicht selten verlässt man den Saal mit dem Gefühl eine – manchmal mehr, manchmal weniger – trockene PR-Veranstaltung gesehen zu haben.
Pixars “La Luna” – rucklig-rührend
Danach folgte das Screening und die Präsentation von Pixars La Luna, souverän vorgetragen von Daniel McCoy, seines Zeichens Supervising Technical Director. Leider machte dem Screening die alte NTSC/PAL-Diskrepanz zu schaffen, weshalb der Film mit leichtem Ruckeln gezeigt werden musste. Der Film dürfte ziemlich allen gefallen haben, so liebeswert und malerisch wie er umgesetzt wurde. Doch bei einigen Gesprächen nach der Präsentation zeigte sich, dass bei vielen Zuschauern der letzte Funke fehlte. Vor allem im direkten Vergleich mit Klassikern wie Geri’s Game, For the Birds oder One-Man-Band blieb der Film zu sehr an der Oberfläche. Eine kindgerechte, rührend erzählte Geschichte ohne Zwischentöne, Ecken oder Kanten. Somit darf man die Entscheidung der Academy, Pixar dieses Jahr ausnahmsweise ohne Auszeichnung nach Hause zu schicken, befürworten. Was aber die Anekdoten von McCoy nicht uninteressanter machte. Vieles deckte sich mit dem, was Regisseur Enrico Casarosa bereits zum Film sagte (hier nachzulesen). Dieser überzeugte John Lasseter mit einem kleinen Storyboard aus 30 selbst gemalten Bildern von dem Projekt und es ist erstaunlich, wie nah der fertige Film an den Zeichnungen blieb. Der Aquarell-Look zieht sich wie ein roter Faden durch das Projekt, viele Shader und Texturen des Films entstanden, indem echte Aquarelltexturen gemalt, eingescannt und später auf die 3D-Objekte projiziert wurden. Sehr unterhaltsam waren auch die Anekdoten zum eingesetzten “Gibberish” (die erfundene, wortlose Sprache der Charaktere, die von den italienischen La Linea-Clips inspiriert wurden). Es brauchte drei Versuche von verschiedensten Leuten (vom Regisseur selbst über Bob Robertson bis hin zu einem Cirque Du Soleil-Künstler) um die perfekte Stimme und Brabbelrhythmus zu finden. Und es war ein Lead Animator aus The Incredibles mit tiefer Basstimme und ein älterer Kollege, die den Papa und den Nonno (Opa) spielten. Bei letzterem stellte sich die Frage, ob die Aufnahmen mit oder ohne Gebiss gemacht werden sollten. Wie das urkomische Video der Tonaufnahmen bewies, entschied man sich am Ende, auf das Gebiss zu verzichten.
Am Nachmittag philosophierte, propagierte und predigte VFX-Legende Douglas Trumbull – 2001, Star Trek, Die unheimliche Begegnung der dritten Art, Blade Runner und viele mehr – über die Zukunft des Kinos. Seiner Meinung nach müsse sich der Film noch extremer in ein Spektakel verwandeln, welches sich nicht imitieren lassen könne. Die Stereoskopie (3D) sei ein erster Schritt, aber noch wichtiger sei der Schritt zu höheren Frameraten, wie es Peter Jackson mit The Hobbit aktuell versuche. Dieser dreht seine beiden Prequels zu Der Herr der Ringe mit 48 Frames pro Sekunde (Kinostandard ist 24), musste bei einer Präsentation vor einigen Wochen jedoch harsche Kritik einstecken, der Film würde auf diese Weise wie eine Seifenoper wirken. Dieser Effekt auf den Zuschauer ist nichts neues, höhere Frameraten lassen Bewegungsunschärfen auf ein Minimum schrumpfen und lassen das Bild sehr lebensecht wirken, was gleichzeitig Assoziationen an billige TV-Formate aufkommen lässt. Trumbull argumentierte jedoch, dass dieser Effekt in erster Linie eine Gewohnheitssache sei und 48fps nicht als Ersatz für konventionelle Filmästhetik gedacht sei, sondern als ergänzendes Werkzeug und Stilmittel. Er zeigte ein Vergleich von 24fps und 60fps und wie dieser Effekt vor allem in Blockbustern eingesetzt werden könne. Beim Kampf Mensch gegen Alien oder Superheld gegen Monster könnten die Menschen mit 24fps, die Kreaturen dagen mit 60 dargestellt werden, was einen ungeahnten Effekt auf den Zuschauer hätte. Trumbull war sich sicher, dass 48fps+ eine völlig neue Bildsprache erfordere, die er aktuell in seinem eigenen Studio auslote. James Cameron wolle seine Avatar-Sequels in naher Zukunft mit 60fps drehen, ohne Rücksicht darauf, dass aktuell kaum Kinoprojektoren im Einsatz sind, die diese wiedergeben können. Netter Hinweis am Rande: Höhere Frameraten könnten Menschen helfen, die bei 3D-Vorstellungen über Kopfschmerzen oder Übelkeit klagen.
Das war Tag 1 an der FMX 2012 in Stuttgart. Was in den kommenden Tagen alles auf uns zukommt, könnt ihr unserer Vorschau entnehmen – oder direkt auf der FMX-Webseite. Und nicht zu vergessen, parallel zur FMX findet das 19. internationale Trickfilmfestival statt, also schaut auch bei unserem ITFS-Tagebuch vorbei!