Das internationale Festival für Animationsfilm ging vom 7.-12. September 2010 zum achten Mal über die Bühne. Mit über 33’000 Zuschauer stellte man einen neuen Besucherrekord auf. Nach 213 Kurz- und Langfilmen aus 38 Ländern stellen wir auch dieses Jahr wieder fest: Das Fantoche ist eine bis zum Platzen gefüllte Wundertüte und eine wahre Bereicherung für die Schweizer Filmlandschaft.
(aus): Severin Auer / (sas): Sarah Stutte / Photos: Impressionen: ©Patricia Pollinger
Die vier abwechslungsreichen Wettbewerbsreihen waren nicht bloss kunterbunt fröhlich wie ein Süsswarenladen, sondern auch verstörend, düster und fordernd. Da beschwört ein gruseliger Stop-Motion-Film über zwei gemeine Zwillingsschwestern, die Strassenkinder kidnappen und diese übel zurichten, ein unangenehm mulmiges Gefühl herauf. Und noch bevor sich der Zuschauer vom Gezeigten erholt hat, lacht der ganze Saal lauthals über die Gesangskünste eines jaulenden Wolfes, der im Wald mit Bär und Hase eine Jam-Session abhält. Eine Achterbahnfahrt sondergleichen. Die Geschichten sind mal komplex, mal einfach, manchmal fein ausgearbeitet, dann wieder abstrakt. Eins haben aber alle Beiträge gemeinsam: Sie sind kunstvoll und zelebrieren die Animationskunst auf innovative Weise. Eine Auswahl der gezeigten Beiträge vom Internationalen und Schweizer Wettbewerb, insbesondere die Gewinnerfilme, folgt etwas weiter unten.
Das Fantoche war in vielerlei Hinsicht ein Ort des Erlebens und Begegnens. Studenten der Trickfilmklasse Kassel und der Kunsthochschule Zagreb erhielten die Möglichkeit, ihre Projekte auf der grossen Leinwand und vor interessiertem Publikum zu präsentieren. Kroatien war denn auch gleich das diesjährige Gastland, von dem historische und zeitgenössische Arbeiten gezeigt wurden. Eine Werkschau widmete man zudem Don „I am a Banana“ Hertzfeld, der mit skurrilen Stories und seinen minimalistischen Strichmännchen 2001 für einen Oscar nominiert war, und dem Stockholmer Animationsstudio Filmtecknarna, das mit zahlreichen Videoclips von Goldfrapp bis U2 Berühmtheit erlangte.
Wie man einen Animationsfilm erstellt und auf welche Probleme man dabei stossen kann, erzählten in der Making-of-Reihe der Japaner Hideto Nakata, welcher in achtjähriger Arbeit seinen ersten Stop-Motion-Film Elemi verwirklichte, wie auch Hervé de Crécy und Francois Alaux, die mit ihrem Actionfilm Logorama 2009 einen Oscar abstauben konnten. Ein Hauch von Hollywood wehte also durch Baden – und damit nicht genug. Félicie Haymoz und Elie Chapuis waren als Character Designerin und Animator bei der Produktion von Fantastic Mr. Fox (im Gepäck ebenfalls eine Oscar-Nomination) hautnah dabei und erzählten munter von der Arbeit am Set.
Neben dem Rückblick gab es natürlich auch einen Ausblick. Letztes Jahr noch hatte Tarik Saleh sein Metropia vorgestellt, dieses Jahr war der Film in seiner finalen Fassung zu sehen. Noch etwas länger als bloss ein Jahr dürfte es dauern, bis die Geschichte um den kauzigen Vogel GUS (Occho Kochoi) in die Kinos kommen wird. Dieser sieht sich unverhofft mit der Aufgabe konfrontiert, einige Zugvögel sicher nach Süden zu navigieren, hat dabei aber mit vielen Problemen zu kämpfen. Die französische Produktionsfirma TeamTO arbeitet mit Computeranimatinoen, hat sich für einen interessanten visuellen Stil entschieden und setzt auf matte Farbtöne. Noch sucht man fieberhaft nach Investoren. Ein leidiges
Thema, mit dem sich auch der Schweizer Animationsfilmer Claude Barras herumplagt. Ma vie de Courgette soll sein erster Stop-Motion-Film werden und so präsentierte er den Besuchern eine nachgestellte Casting-Sequenz, mit der er sein Projekt auch bei Produzenten schmackhaft zu machen versucht. Der erste Eindruck ist auf jeden Fall bereits vielversprechend. Mögliches Veröffentlichungsdatum auch hier erst 2013.
Es war wirklich viel los am Fantoche. Auch dieses Jahr warf man einen Blick auf die Ästhetik der Videospiele, rief zu Podiumsgesprächen, Diskussionsrunden und Ausstellungen. Für viele Besucher waren auch besonders die Langfilme interessant. In den kommenden Tagen werden wir euch ausführliche Rezensionen zu L’Illusioniste, Fantastic Mr. Fox, Kérity la maison des contes, Elemi, Piercing I, Despicable Me und Metropia liefern. Für eine Besprechung der grandiosen Reihe klassischer Animationsfilme, die dieses Jahr dem Schwerpunkt „Märchen“ huldigte, wird es diesmal nicht reichen. Schneewittchen und die sieben Zwerge in der deutschen Ur-Version und nicht die so unschön überarbeiteten Neuauflagen: herrlich. Jiri Trnkas Stop-Motion-Urgestein Bajaja über Königstöchter und achtköpfige Drachen: stimmungsvoll. Hayao Miyazakis unbeschwerter Kinderfilm Tonari no Totoro: zauberhaft. Lotte Reinigers Scherenschnitt-Animationsfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed von 1926: live vertont, bestechend. Und zum Abschluss Paul Grimaults sensationeller und visionärer Zeichentrickfilm Le Roi et l’oiseau: grossartig. (aus)
Die Gewinner des Internationalen Wettbewerbs:
Als letzter Programmpunkt wurden am Sonntagabend schliesslich unter dem Titel Best of Fantoche die prämierten Kurzfilme gezeigt, die wir hier nachfolgend vorstellen. Obwohl sich alle Filme technisch stark unterscheiden, drehen sich die meisten thematisch um gefühlte und erlebte Wirklichkeit:
Best Film: In a Pig’s Eye (Atsushi Wada, JP 2010)
Grossvater, Vater, Mutter, sechs Kinder und ein Hund leben in einem Haus. Vor dem Haus schläft ein riesiges Schwein, was die Eltern daran hindert, das Haus zu verlassen. Die Kinder jedoch spielen mit dem Schwein, lassen sich von dem beim Schnarchen entstehenden Luftstrom herumwirbeln oder wagen es, sich über ihm an einem Seil hin und her zu schaukeln. Irgendwann will die Mutter urplötzlich das Haus verlassen – und das Schwein ist nicht mehr da…
“In a Pig’s Eye” ist ein englischer Ausdruck für ‘merkwürdig’, und genau so ist der Film. Über die Handlung kann nicht viel gesagt werden, denn eigentlich gibt es keine. Genau das ist aber auch der Grund, warum Wada für die “überzeugende Vereinigung von Idee und Umsetzung, Inhalt und Form” ausgezeichnet wurde. Ein Schwein als Versinnbildlichung eines Sprichwortes, alles verpackt in einen Rahmen, der keine Erklärung fordert. Noch dazu sind die Zeichnungen von Atsushi Wada sehr fein und exakt. Die Jury beschrieb das Werk wie folgt: „Für seine Unerbittlichkeit und gleichzeitige Zurückhaltung – seinen innewohnenden Sinn für das Absurde, welcher eine Welt der Besessenheit, der Repetition und des Ritus zelebriert, Vieldeutigkeiten feiert, jedoch gleichzeitig an seiner individuellen Logik festhält.“ (sas)
NAB-Publikumspreis: Sinna Mann (Anita Killi, NO 2009)
Der berührende Film der Norwegerin erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der in Angst aufwachsen muss, weil sein Vater unter unkontrollierten Wutausbrüchen leidet. Wenn dies geschieht, sieht der Kleine nur noch den “Angry Man”, der vom dunklen Keller heraufkommt und von seinem Vater Besitz ergreift. Niemand darf wissen, was in der Familie vorgeht. Der Junge fasst trotzdem all seinen Mut zusammen und schreibt dem König einen Brief…
Was diesen Kurzfilm so besonders macht, ist die in einfachen Bildern gehaltene, kindliche Sicht auf die Dinge, die immer zwischen Realität und Traumfluchtwelt des Jungen schwebt. Damit nimmt Killi dem Thema letzten Endes auch die Schwere, schafft aber trotzdem eine bewundernswerte Eindringlichkeit, die Betroffenheit auslöst. Der Publikumspreis, gesponsert von der Neuen Aargauer Bank (NAB), ist deshalb mehr als berechtigt. (sas)
Best Visual: Get Real! (Evert de Beijer, NL 2010)
Ein spielsüchtiger Teenager ist in seinem Lieblingsgame der Bodyguard eines Popstars. Wird sie entführt oder gar von Fans im Handgemenge getötet, verliert der Beschützer jeweils ein Leben. Kann er sie jedoch befreien, darf er mit ihr rumknutschen. Der Teenie ist so in seiner virtuellen Welt gefangen, dass er zur realen kaum mehr Zugang hat und in dieser, statt strahlender Held, eher schüchtern ist. Als ihm eine Klassenkameradin jedoch zu verstehen gibt, dass sie ihn mag, versucht der Junge die Gamewelt zu verlassen…
Auch dieser holländische Beitrag hat seine Auszeichnung verdient. Get Real! ist eine ziemlich bunte und von bassigem Sound begleitete Auseinandersetzung mit der Gamekultur, die auf die Gefahren des Spielkonsums hinweist. De Beijer überflutet das Zuschauerhirn bewusst mit visuellen Reizen und erschafft dabei eine Mischung aus Videoästhetik und gekritzelten Zeichnungen. (sas)
New Talent: Kuchao (Masaki Okuda, JP 2010)
Der Schüler Kuchao ist ein Aussenseiter, weil er immer nur mit Kaugummikauen beschäftigt ist. Er kann es kaum erwarten, dass die Schule aus ist, damit er sich mittels eines magischen Kaugummis an einem Luftballon in die Lüfte schwingen kann. Vorbei an Flugzeugen, Raketen und anderen fliegenden Fahrzeugen. Immer höher und höher steigt der Junge mit seinem Ballon, bis plötzlich ein Vogel mit der Spitze seines Schnabels Kuchaos Reise platzen lässt und er unsanft wieder auf dem Boden landet…
Ein schräges Abenteuer (typisch japanisch!), welches von einer lauten Kinderstimme getragen wird, die die Bilderflut in knappen rhythmischen Sätzen untermalt. Masaki Okuda ist ein sehr kurzweiliger Film in aquarellierten Bildern gelungen, der den Zuschauer mit seiner Schnelle zwar überrollt, aber mit viel Witz die eigentlich sentimentale Story eines Jungen erzählt, der keine Freunde hat und sich in seiner Fantasie verliert. (sas)
High Risk: Love & Theft (Andreas Hykade, DE 2010)
Bekannte Gesichter von Comicfiguren tauchen, von wuchtigen Beats begleitet, kurz auf und entschwinden wieder in die nächste und übernächste Gestalt oder Linie. Alles in einem Strom, alles aus einem Punkt…
Animationsfilmer Andreas Hykade, der in diesem Jahr auch einen Sitz in der Schweizer Jury des Fantoche inne hatte, verbindet seine Zeichnungen geschickt mit einer hypnotischen Rhythmik, aus der er sie nicht mehr entlässt. Konstant hält der Film die Spannung aufrecht, wer wohl noch alles im Gesichtermeer auftaucht. Love&Theft ist auf Youtube zu finden.(sas)
Best Sound / Best Story: Divers In The Rain (Olga Pärn, Priit Pärn, EE 2010)
Wenn er morgens aufsteht, um sich in seinen Taucheranzug zu schmeissen und zur Arbeit zu fahren, kommt sie gerade nach Hause. Nachts behandelt sie als Zahnärztin Dentalnotfälle, während er frühmorgens Menschen aus sinkenden Schiffen rettet. Gemeinsame Zeit finden sie nur in ihren Träumen.
Regen prasselt unentwegt darnieder und scheint selbst die Zuschauer im Kinosessel zu durchnässen. Die Geschichte folgt einem einfachen Plot, bezieht ihre Kraft aber aus vielschichtigen Deutungsmöglichkeiten. Einfache, täglichen Routinen werden mit kleinen humorvollen Beobachtungen angereichert, während die visuelle Umsetzung in einen grauen Regentag und in dunkle Traumwelten entführt. (aus)
CH Publikumspreis: Heimatland (Andrea Schneider, Loretta Arnold, Marius Portmann, Fabio Friedli, CH 2010)
Ein Vorzeigebünzli, der morgens zu Älplermusik erwacht und seinen Toast als Schweizer Kreuz zurechtschneidet, bekommt einen Ausländer als neuen Nachbarn. Schlimm genug, dass dieser jammernde Lieder hört und Nägel durch die Decke bohrt. Als er an Bünzlis Tür klingelt, beschwört sein fremdländisches Aussehen die übelsten Befürchtungen beim Schweizer herauf. Dieser schiebt in seiner Wohnung Panik und sieht im Delirium die unmöglichsten Dinge: seine Tulpen verneigen sich plötzlich und rufen dabei laut «Allah!», seine Puppe verschleiert sich und an seinem Radio klebt Dynamit…
Heimatland ist eine wirklich liebevoll gemachte Plastilin-Animation mit überzeugender Story. Diese ist so unterhaltsam, dass es eine wahre Wonne ist. Gleichzeitig bleibt einem ab und zu aber das Lachen im Hals stecken, wenn man bedenkt, wieviel traurige Wahrheit in diesem Kurzfilm steckt. (sas)
Best Swiss: Miramare (Michaela Müller, HR/CH 2009)
Es ist Sommer. Irgendwo an einem Mittelmeerstrand verbringt auch eine Schweizer Familie ihren Urlaub. Deren zwei Kinder verlassen das ausschliesslich den Touristen vorbehaltene Gelände und erforschen auf eigene Faust die Umgebung. Als sie dabei auf eine Hütte mit illegalen Einwanderern stossen, merken sie rasch, dass die Realität wenig mit dem luxuriösen Leben der Feriengäste zu tun hat. Als ein Sturm aufkommt und fast alle Unterschiede zwischen Arm und Reich wegspült, suchen die Kinder wieder den Schutz ihrer Eltern auf…
Die Zeichenanimation in wabernden, aquarellierten Bildern von Michaela Müller ist stimmig und lässt den Zuschauer nachdenklich zurück. Ein atmosphärisches Werk über eine Schweizer Familie, die sich in den Campingferien plötzlich mit den globalen Problemen Migration, Fremdenfeindlichkeit und Klimawandel konfrontiert sieht. Die 5000 Bilder, die Müller alle einzeln auf Glasplatte malte, fliessen in Miramare geschickt ineinander und lassen keine Brüche entstehen. (sas)
Unprämiert aber sehenswert:
Videogioco (Loop Experiment) (Donato Sansone, IT 2009)
In diesem Wirrwarr aus gefalteten Notizzetteln und Skizzen auch noch eine Geschichte zu finden, ist schwierig. Hier geht es aber vielmehr um Action, flinke Finger und fliegende Köpfe. Sansone faltet und entfaltet Vor- und Rückseiten seiner Skizzen und erweckt die Bilder dadurch zum Leben. Der Beitrag steht auf Youtube. (aus)
Les bessones del Carrer de Ponent – The Twin Girls of Sunset Street (Marc Riba, Anna Solanas, ES 2010)
Als ein Lausbub mit seiner Steinschleuder eine Katze ins Visier nimmt, wird er unerwartet verschleppt. Er landet in einem gruseligen Haus, das von den zwei herzlosen Zwillingsschwestern Enriqueta und Ramoneta bewohnt wird. Doch der Junge ist nicht alleine. Ein anderes Kind liegt zitternd auf einer Pritsche und verschwindet bald spurlos. Zum Abendessen kriegt er Fleisch vorgesetzt. Ob es aus dem Schreckenshaus ein Entrinnen gibt, wird sich bald zeigen…
Ein gruseliger Stop-Motion-Film der einem wirklich aufs Gemüt und auf den Magen schlägt. Die detaillierten und stimmungsvollen Figuren widerspiegeln Angst, Verzweiflung, Hass und Wahnsinn. Beklemmend und beeindruckend. Einen kleinen Vorgeschmack liefert der Trailer. (aus)
LogJam – KFJG Nr. 5 (Alexey Alexeev, HU 2009)
Ein Bär spielt auf einem Stück Holz Kontrabass, ein Hase trommelt auf einem Holzstrunk und ein Wolf jault sein Solo in den Tag hinein. So simpel die Ausgangslage auch sein mag, die Umsetzung ist in ihrer visuellen und soundtechnischen Ausarbeitung so urkomisch, dass kein Auge trocken bleibt. Während des Wettbewerbprogramms wurden ganze drei Filmchen gezeigt, in denen das Trio versucht, zusammen zu jammen und dabei von einem leicht verwirrten Jäger unterbrochen wird. Die musikalischen Bemühungen sind auf Youtube. (aus)
Sobachja ploshchadka – Dog-Walking Ground (Leonid Shmelkov, RU 2009)
Hundehäufchen soweit das Auge reicht. So gestaltet sich der Alltag des Fäkalien-saugenden Roboters im Stadtpark. Die Vierbeiner scheissen mal gross, mal klein, mal im Doppelpack und manchmal nur auf Befehl. So stolzieren sie hinter ihren schrulligen Herrchen und Frauchen her und geniessen den Tag. Für den Roboter bedeutet dies Arbeit bis tief in die Nacht. Ein Scheissjob!
Witzig und charmant. Eine ironische Studie über Hunde und Hundehalter, umgesetzt in einem einfachen, aber visuell eigenständigen Stil. Und wer gedacht hat, er werde nie Gefühle für einen mit langem Rüssel ausgerüsteten und Kot schluckenden Abfalleimer entwickeln, wird hier eines Besseren belehrt. (aus)
Memée (Evelyn Verschoore, BE 2010)
Memée wohnt im Altersheim. Ihr Alltag besteht aus Einsamkeit und Routinen. Sie schleppt sich von einem Mahl zum nächsten, empfängt ihre Verwandten die sich überhaupt nicht für sie interessieren und hat allem voran viel Zeit für sich. Doch wenn sie aus dem Fenster guckt, sieht sie gegenüber einen rüstigen Rentner, der das Leben geniest und noch ganz ohne fremde Hilfe auskommt. Immer wenn Memée winkt, winkt er zurück. Manchmal spielt er Saxophon und sie lauscht der Musik. Die Pointe der Geschichte (und wer glaubt, das Filmchen bald einmal sehen zu können, sollte die kommenden Worte vielleicht überspringen) ist nun folgende: Memée ist natürlich nicht die einzige Bewohnerin im Altersheim. Unzählige Augen von alten einsamen Frauen sind auf das kleine Häuschen gegenüber gerichtet. Er spielt also für alle Frauen, während jede einzelne das besondere Gefühl vermittelt bekommt, er sei nur für sie persönlich da. Ein schöner, bewegender und nachdenklich stimmender Twist. (aus)
Fuzzy Insides (Michaela Olsen, US 2009)
Vier Häuser auf einer Drehscheibe. Mit einem ironischen Auge blickt Olsen in die intimsten Bereiche seltsamer Menschen. Eine Reality-Freakshow, die durch ihren überzogenen Wiedererkennungswert gleichermassen berührt und abstossend wirkt. Da hockt eine alte Dame vor dem Fernseher und sucht Zuneigung bei ihrer Katze. Diese wiederum sieht sich in einer unangenehmen Situation gegenüber ihrem Frauchen, doch will sie dieses nicht enttäuschen. In einem anderen Zimmer hocken zwei Teenager auf einem Bett. Der erste Zungenkuss ist unbeholfen und sehr feucht. Wieder ein Haus weiter verschwindet ein kleiner Mann während seinen sexuellen Fantasien in den Bauchfalten seiner dicken Frau, während sich im vierten Haus ein Mann selbstgefällig vor dem Spiegel am Körper rasiert. Die Stop-Motion Technik und die karikierten Charaktere spielen für die Absurdität der ganzen Szenerie eine wichtige Rolle. Der Trailer gibt bereits einen Vorgeschmack. (aus)
Ein Pinguin als Gevatter Tod. Sein Opfer: Ein alter Mann, der sich zuvor versehentlich in seinem Haus in die Luft sprengte. Als der Pinguin vor seiner Tür steht, begreift der Alte nicht, was dieser von ihm will. Mit viel Geduld und bildhaften Darstellungen, versucht der Pinguin dem widerspenstigen Verstorbenen zu vermitteln, dass dieser das Zeitliche gesegnet hat und nun mit ihm kommen muss…
Mit verschiedenen Techniken animierte Alex Stoop seinen Kurzfilm, indem er alle Figuren und Raumelemente von Hand zeichnete und in eine belebte dreidimensionale Welt einfügte. Peng! setzt sich nicht nur auf leicht verständliche und urkomische Art mit dem Thema Tod auseinander, er spielt auch geschickt mit Schein und Sein. So fühlt sich der alte Mann in seiner Wohnung zum Beispiel immer noch lebendig, weil er geflissentlich ignoriert, dass selbst sein Fisch bereits oben auf dem Wasser schwimmt. Und die bedrohliche Gestalt mit Sense, die da des Weges kommt, entpuppt sich im Licht als kleiner Pinguin mit Fischernetz. (sas)
My Childhood Mystery Tree (Natalia Mirzoyan, RU 2009)
Im Traum verliert ein Junge seinen Teddy. Er sucht ihn und will ihn aus den Klauen riesiger Vögel befreien, die das Stofftier auf die Spitze eines in den Himmel ragenden Baumes bringen. Dort wohnt eine alte Frau, die die Spielzeuge zu einem Turm aufstapelt. Als der Junge seinen Teddy dort herauszieht, fällt alles in sich zusammen…
Ein märchenhafter Film, der wunderschön animiert und detailreich eine Welt voller Poesie und Fantastereien entstehen lässt. Die nostalgische Optik, mit der die Suche nach dem Teddybären und letztendlich der Einsturz des Baumes dargestellt wird, visualisiert das Ende einer Kindheit und den Übertritt ins Erwachsenenalter. (sas)
Parasite (Omid Khoshnazar, Behzad Rajabipour, IR/CH 2009)
Ein Soldat löst seinen Kollegen auf einem Wachturm ab. Rings herum Wüste und Totenstille. Nichts passiert. In dieser unwirklichen Atmosphäre verliert der Soldat mehr und mehr den Bezug zur Realität. Die Töne aus dem Radio werden immer lauter, bis der Apparat schliesslich zu Boden fällt. Aggressive Mücken, Ameisen und andere Insekten sind überall auf dem Wachposten und schüren die Paranoia des Soldaten. Plötzlich ist dieser überzeugt von der Nähe eines Feindes und fängt an, wild um sich zu schiessen…
Parasite ist eine technisch absolut einwandfreie 3D-Computeranimation. Der Titel ist durchaus doppeldeutig zu verstehen, denn die Animation ist die letzte Episode einer Trilogie, die die manipulative Wirkung von Medien auf Menschen zeigen soll. (sas)