Nicht Lightning McQueen übernimmt in diesem Spionage-Thriller die Hauptrolle, sondern der schusselige Hook, der sich durch eine Verwechslung in der Rolle eines Geheimagenten wiederfindet. Herausgelöst aus dem beschaulichen Spielzeugland Radiator Springs, wirken die noch stärker vermenschlichten Autos an realen Orten wie Japan und England aber fehl am Platz. Die technische Umsetzung ist zwar gewohnt überdurchschnittlich und detailliert, als Gesamtprodukt wirkt „Cars 2“ aber lieblos zusammengewürfelt. Mit der James Bond-Story könnte Pixar zudem die Kleinsten erschrecken, während Erwachsene aufgrund oberflächlicher Charaktere gänzlich unberührt bleiben.
Lightning McQueen ist so erfolgreich wie nie zuvor. Nach einem erneuten Sieg will er sich etwas Ruhe in Radiator Springs gönnen. Kaum angekommen, überwirft sich sein treuer Freund Hook – ein hinterwäldlerischer Abschleppwagen – jedoch mit dem provokanten Formel-1-Renner Francesco Bernoulli, der sich in einer Talkshow darüber lustig macht, dass McQueen die Einladung zum drei Rennen umfassenden World Grand Prix abgelehnt hat. In seinem Stolz verletzt, sagt McQueen schliesslich zu, trotz der langen Saison. Auf Drängen seiner Flamme Sally nimmt er Hook in sein spontan geformtes Renn-Team auf und tritt mit ihm die Reise nach Japan an…
Schade dass der ganze Rennzirkus für Cars 2 komplett zweitrangig ist und nur eine untergeordnete Stellung einnimmt. Wichtiger ist, hinter der Organisation des World Grand Prix steht der Ölmilliardär Miles Axelrod, welcher sich als Umweltschützer outet und den Anlass zur Promotion seines neuen Bio-Treibstoffs Allinol nutzt. Ein Haufen aussortierter Montagsautos stellt sich der modernen Entwicklung entgegen und sie versuchen die Rennen zu sabotieren, allen voran Professor Zündapp – designt nach dem deutschen Kleinstwagen Zündapp Janus. Während sich Hook bei der Eröffnungsveranstaltung am Rennvortag komplett daneben benimmt und sich mit Wasabi eindeckt, das er fälschlicherweise für Pistazien-Eis hält, sind die britischen Geheimagenten Finn McMissile und Holley Shiftwell den Bösewichten auf der Spur und mischen sich unter die Gäste, um eine brisante Information von einem amerikanischen Berufskollegen zu erhalten. Dieser wird vor der Übergabe von den Schergen des Professor Zündapp gestellt, kann den Peilsender in einem unbemerkten Moment aber an Hooks Karosserie heften. Minuten später wird der rostige Abschleppwagen von McMissile und Shiftwell für den gesuchten Agenten gehalten – und die lassen ihn Teil einer gefährlichen Mission werden.
Cars 2 ist keine Liebesgeschichte und kein Rennsportfilm geworden. Regisseur John Lasseter löst die Franchise aus dem beschaulichen Spielzeugland Radiator Springs heraus und versetzt die Autos in ein neues Genre, den Spionage-Thriller. Von einem klassischen Sequel kann man da nicht mehr sprechen. Bereits die ersten Filmminuten geben den Ton an: In einer Hommage an Agenten-Filme spioniert Finn McMissile eine entlegene Ölplattform mitten im Ozean aus und kann dabei auf zahlreiche Spezialgadgets zurückgreifen. Kein James Bond ohne Explosionen, Pistolen, Drohungen und hinterhältige Bösewichte. Für die allerkleinsten Kinobesucher aber, die den ersten Cars-Teil gegenüber manch anderem Pixar-Streifen bevorzugen, ist Cars 2 stellenweise etwas zu hart. Hier spricht man vom Töten, während Informationen durch Folter erzwungen werden. Ein Agenten-Thriller halt – zwar im Pixar-Kostüm und mit sprechenden Autos, aber immer noch ein Agenten-Thriller. Auch wenn das Studio immer wieder betont, man mache die Filme für sich selbst und nicht für ein Kinderpublikum, hat gerade die Franchise Cars mit der Zweitverwertung durch Merchandising genau diese Altersgruppe ins Blickfeld genommen; Cars 2 schiesst deutlich daran vorbei. Einen Teil trägt dazu auch die eher komplizierte Botschaft des Films bei. Einerseits gibt es da wieder die klassische Geschichte um Freundschaft und Loyalität zwischen McQueen und Hook, andererseits versucht Pixar mit dem ökologischen Bio-Treibstoff und einer Organisation, die dessen Verbreitung verhindern will, politisch Stellung zu beziehen. Verwirrend für die Jüngsten, die bei Wall-E (2008) mit überdimensionalen Abfallbergen und dicken Menschen gleich zwei gesellschaftskritische Themen verständlich vor Augen geführt bekommen haben. Im neusten Pixar-Film sind die globalen Auswirkungen einer Ölknappheit und die Umweltverschmutzung aber kein Thema und zudem kommt die Botschaft von einer Franchise, die ja gerade aus der Nostalgie um das Kultobjekt Auto entstand.
Lightning McQueen hat man zugunsten von Hook in die Nebenrolle verschoben. Kinder, die doch gerade das rote Sieger-Rennauto lieben, müssen sich nun mit dem zwar gutmütigen, aber tollpatschigen und leicht dümmlichen Abschleppwagen anfreunden. Währenddessen haben die im Vorfeld so grossartig angekündigten Konkurrenten auf der Rennstrecke aus allen Herren Länder – ausser Francesco – nur eine Statistenrolle, und auch bekannte Gesichter aus dem ersten Teil und damit Identifikationsfiguren sind nur kurz zu sehen. Dafür bietet Cars 2 Action am laufenden Band. Mit emotionalen Momenten will man sich hier nicht befassen: Szenen, die einen zu Tränen rühren könnten – echte Pixar-Momente -, gibt es nicht. Es fehlt das Herz, das Gespür für das spezielle Etwas und die Innovation. Aus dem beschaulichen und abgeschiedenen Fantasieort Radiator Springs herausgerissen, müssen sich die Autos nun in der realen Welt beweisen; japanische Toiletten sollen dabei für Lacher sorgen. Schliesslich verhalten sich die Hauptfiguren neuerdings allzu menschlich – als ob Sprechen und Liebgucken nicht genügen würde. Jetzt wird gegessen, getrunken und gepinkelt.
Das hochgelobte Pixar Studio kritisieren? Warum nicht. Pixar selbst hat die Messlatte für computeranimierte Animationsfilme so hoch gesetzt, und in puncto Technik macht dem Studio noch immer keiner was vor. Optisch ist der Film berauschend und die Detailverliebtheit in der Architektur und in kleinen Spielereien – so etwa die Idee, dass Autos in Japan den Kampfsport „Carate“ betreiben – eine grosse Stärke des Films. Dazu kommt der gewisse Charme, der in einzelnen Dialogen aufblitzt. Schlussendlich ist Cars 2 aber lediglich lockeres Action-Kino mit einer belanglosen Geschichte, zusammengewürfelt aus der James Bond-Franchise, der Teenie-Komödie If Looks could kill (1991) und The Man who knew too little (1997).